Medienkompetenz in der Schule aktueller denn je
Die Vermittlung von Medienkompetenz falle zu guten Teilen in den Aufgabenbereich des Faches Deutsch und sollte in der Grundschule vor allem auf Rezeptions- und Reproduktionskompetenz zielen, sagt die Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Carmen Spiegel. Allerdings sei die Infrastruktur in vielen Schulen veraltet und Lehrpersonen häufig überlastet. Auch seien viele Eltern gegen die Nutzung digitaler Medien im Unterricht.

Lesen und Schreiben sind die zentralen Voraussetzungen für die Rezeption von Medien. Foto: Tilman Binz/Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Längst sind die Neuen Medien in die Jahre gekommen, gehören internetbasierte Computersysteme zu unserem Alltag und prägen unsere Kommunikation. Und das immer früher. Die Ausbildung von Medienkompetenz ist deshalb aktueller denn je. Zu guten Teilen fällt sie in den Aufgabenbereich des Faches Deutsch. Denn „die Fähigkeiten Lesen und Schreiben sind die zentralen Voraussetzungen für die Rezeption von Medien und die Produktion in und mit Medien“, sagt Prof. Dr. Carmen Spiegel, Leiterin des Instituts für deutsche Sprache und Literatur an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.
Aufgabe des Deutschunterrichts sei es daher, „Schülerinnen und Schüler in der Grundschule zu befähigen, kompetent im Internet zu recherchieren, multimediale Texte verstehend zu rezipieren, selbst textsorten- und adressatenspezifisch Texte zu produzieren und kompetente schriftliche Kommunikationspartner und -partnerinnen zu werden, die sich auch im virtuellen Raum fair verhalten.“
Wege zur Vermittlung von Medienkompetenz
Welche Wege zur Vermittlung von Medienkompetenz beschritten werden können, skizziert die Sprachwissenschaftlerin im Rahmen ihres Vortrags beim Neujahrsempfang der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe am 15. Januar. Dazu zählen etwa WebQuests und ab der Sekundarstufe I auch der Umgang mit virtuellen Szenarien. Das Bearbeiten von Aufträgen in Form von Quests, also von strukturierten Aufgabenbearbeitungen unter Einbeziehung sowohl digitaler als auch klassischer Informationsmedien, ermögliche mehrkanaliges Lernen, so Prof. Dr. Spiegel.
Das Lernen werde durch Verräumlichung und Veranschaulichung in der virtuellen Erfahrungswelt sowie durch das Ansprechen verschiedener Sinneskanäle unterstützt. Außerdem seien multimodale Wahrnehmungswege für unterschiedliche Lerntypen möglich. Und die Schülerinnen und Schüler könnten die zur Lösung der Aufgabenstellung notwendigen Informationen eigenaktiv und selbstständig im eigenen Lerntempo beschaffen und dokumentieren.
Virtuelle Lernszenarien als Ergänzung
Eine sinnvolle Auswahl der Szenarien – auch nach Alter und Lernstand der Schülerinnen und Schüler – erfordere jedoch „ein hohes Maß an fachlicher, fachdidaktischer und mediendidaktischer Kompetenz seitens der Lehrperson“, macht Carmen Spiegel in ihrem zusammen mit Claudia Angele verfassten Aufsatz „Lernen in und mit virtuellen Lernszenarien?“ deutlich, der im Frühjahr 2020 in der Online-Zeitschrift „Medien im Deutschunterricht“ erscheint. Deshalb sei für Erkundungen in virtuellen Lernszenarien eine sehr klare Zielsetzung Voraussetzung dafür, dass die Informations- und Erfahrungsangebote adäquat für eine konkrete Aufgabenstellung genutzt werden. Ansonsten erforderten Lernsequenzen zu viel Zeit und seien wenig zielführend.
„Virtuelle Lernszenarien können den Unterricht (gelegentlich) ergänzen, ersetzen können sie ihn nicht“, so die Bilanz der Autorinnen: „Virtuelle Lernszenarien können Sekundärerfahrungen bieten, wo Primärerfahrungen nicht (mehr) möglich sind; sie könnten eine faszinierende Möglichkeit der Informationsermittlung sein – und reine Zeitverschwendung.“
Viele Eltern gegen die Nutzung digitaler Medien
Allerdings seien das zur Verfügung stehende technische Equipment und die Infrastruktur in vielen Schulen – insbesondere in den Grundschulen – häufig veraltet und ein die Lehrpersonen unterstützender Techniksupport finde sich in Grund- und Realschulen kaum. Eher in Gymnasien würden technikaffine Lehrpersonen verpflichtet, sich um Technik und Interessierte zu kümmern. Hinzu komme, dass Lehrpersonen häufig zu überlastet seien, um sich in neue Technologien, Programme und diesbezügliche methodische Konzepte einzuarbeiten. Erstaunlicherweise seien auch viele Eltern gegen die Nutzung bestimmter digitaler Medien oder virtueller Lernszenarien im Unterricht. Das zeigten die zahlreichen Verweigerungen von Zustimmungen durch die Erziehungsberechtigten, wenn Lehramtsstudierende im Rahmen von Abschlussarbeiten kleine Forschungsprojekte mit Schülerinnen und Schülern durchführen möchten.
Zur Person
Prof. Dr. Carmen Spiegel ist Leiterin des Instituts für deutsche Sprache und Literatur an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Forschungsschwerpunkte der Sprachwissenschaftlerin sind unter anderem Text und Bild, Multimedia, Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Rhetorik, Mediendidaktik und sprachliche Sozialisation. Im bundesweiten Forschungsverbund „Leistung macht Schule“ ist Prof. Dr. Spiegel eine der leitenden Wissenschaftlerinnen der Projekte zu sprachlich-literarischer Förderung.
Außerdem zeichnet sie verantwortlich für das InDiKo-Teilprojekt „Deutsch: Quests im Deutschunterricht: Digitalisierungskompetenzen von Lehrkräften“. Ziel des Projektes ist es, die fachdidaktischen Anforderungen und Kompetenzen sowie zentralen Aufgaben von Lehrenden bei der Konzeption und Durchführung von Web- und Virtual Reality-Quests zu beschreiben und zu optimieren. Mit „InDiKo“ (Nachhaltige Integration von fachdidaktischen digitalen Lehr-Lern-Konzepten) hat die Pädagogische Hochschule Karlsruhe bei der von Bund und Ländern getragenen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ überzeugt.