
Lehrveranstaltung zum Einsatz der Cardboardtechnologie im Biologieunterricht
Erkenntnisse in der Bildungsforschung zeigen, dass digitale stereoskopische Visualisierungen einen Mehrwert gegenüber digitalen nicht-stereoskopischen Visualisierungen für das proportionsgetreue Einschätzen von anatomischen Strukturen bieten. Die Kombination aus Cardboard, Smartphone und einer entsprechenden App bietet eine Möglichkeit für Lehrende, diese Technik im Biologieunterricht einzusetzen. Die von der Joachim Herz Stiftung geförderte Lehrveranstaltung möchte die Lehramtsstudierenden beim Aufbau diesbezüglichen Professionswissens unterstützen. Diese Veranstaltung integriert dazu theoretische Grundlagen und Praxiserfahrungen, indem durch die Studierenden Lehr-Lernsettings erarbeitet, an Schulen durchgeführt und reflektiert werden.
Der formative Charakter des Seminars wird dadurch betont, dass die Reflexionen der Studierenden im jeweiligen Folgesemester aufgegriffen und den neuen Seminarteilnehmenden für eine Weiterentwicklung der Lehrveranstaltung dienen. Mittelfristig ist geplant, aus den Reflexionen entwickelte didaktische Entwurfsmuster über eine OER interessierten (Lehr-) Personen zur Verfügung zu stellen. Durch die Covid-19 Pandemie konnten erste einschlägige Lehr-Lernsettings bereits im Online-Unterricht erprobt werden.
Hintergrund
Biologische Sachverhalte wie die Morphologie, Anatomie und Physiologie von Mensch, Tier und Pflanze sind in einem dreidimensionalen Raum verortet. Entsprechend gehen Anforderungen im Biologieunterricht wie z. B. das Identifizieren von Pflanzen und Tieren mit der Wahrnehmung räumlicher Strukturen einher. Ein exaktes Einschätzen von Strukturen gilt zudem als wesentlicher Prädiktor für eine erfolgreiche mentale Text Bild-Integration und damit als Ausgangspunkt für den Aufbau naturwissenschaftlicher Konzepte im Kontext von Struktur und Funktion. Für die Lehre solcher Inhalte kommen digitale stereoskopische Bildgebungsverfahren in Frage, welche dreidimensionale Raumeindrücke vermitteln, indem das stereoskopische Sehen aus dem Alltag imitiert wird. Hierzu werden den Augen des Betrachters zwei Ansichten eines Objekts aus leicht verschiedenen Perspektiven gezeigt. Im Gegensatz dazu wird der Raumeindruck bei digitalen nicht-stereoskopischen Verfahren lediglich über die Wirkung monokularer Tiefenkriterien wie relative Größe, Perspektive oder sich bewegende Bilder („Bewegungsparallaxe“) erzeugt. Eine hausinterne Forschungsreihe konnte die für das exakte Einschätzen von anatomischen Strukturen und Proportionen förderliche Wirkung digitaler stereoskopischer Bilder belegen (Remmele et al., 2015; Remmele & Martens, 2016; Remmele et al., 2018; Remmele & Martens, 2019).
Pedagogical Patterns
Pedagogical Patterns sind didaktische Entwurfsmuster, welche aus Erfahrungen vom Einsatz (digitaler) Technologien in Bildungskontexten generiert werden und Anleitungen für deren zielgerichteten Einsatz geben. Sie sind ein international erprobter Muster-Ansatz (Sharp et al., 2003), welcher eine Verallgemeinerung der durchgeführten Beispiele ermöglicht. Deren nachhaltige Verfügbarkeit für alle Studierenden wird über den digitalen Innovation Space der Hochschule gewährleistet. Die bisherigen Pedagogical Patterns sind über die folgende Liste frei zum Download verfügbar.
Personen
Literatur
Remmele, M. & Martens, A. (2019). Using stereoscopic visualizations as templates to construct a spatial hands-on representation - is there a novelty effect? Advances in Physiology Education, 43(1), 93-98.
Remmele, M., Schmidt, E., Lingenfelder, M. & Martens, A. (2018). The impact of stereoscopic imagery and motion on anatomical structure recognition and visual attention performance. Anatomical Sciences Education, 11(1), 15-24.
Remmele, M. & Martens, A. (2016). Stereoscopic representations to pictorially represent a human organ. In M. Roy, M. Kusyk, G. Schlemminger & D. Bechmann (Eds.), Digital Environments and Foreign Language Interaction: Formal and Informal Learning in Real and Virtual Worlds (pp. 217-233). Bern: Peter Lang Verlag.
Remmele, M., Weiers, K. & Martens, A. (2015). Stereoscopic 3D's impact on constructing spatial hands-on representations. Computers & Education, 85, 74-83. doi:10.1016/j.compedu.2015.02.008
Sharp, H., Manns, M.L., Eckstein, J. (2003). Evolving Pedagogical Patterns: The Work of the Pedagogical Patterns Project, Computer Science Education, 13:4, 315-330. doi:10.1076/csed.13.4.315.17493