Was hat denn Karlsruhe mit dem Kolonialismus zu tun?!

Verfasst von Frau Nora Häuser M.A.

Gesamte Reiseroute, vom 24.07.1896 bis zum 16.11.1897

Einleitung

Koloniale und kolonialrevisionistische Diskurse haben auch in Karlsruhe stattgefunden. Mit diesen Diskursen gibt und gab es nach dem Zweiten Weltkrieg fast keine Auseinandersetzung oder sie wurden ignoriert. Wenn beispielsweise bei der Reise des Karlsruher Wasserbauingenieurs Theodor Rehbock nach Deutsch-Südwestafrika in regionalen Zeitungen nur von Studienreise gesprochen wird, obwohl sie die Besiedelung (also Enteignung) des Landes zum Ziel hatte, kann durch diese Auslassung Rehbock weiterhin als ausnahmslos verdienstvoller Bürger Karlsruhes dargestellt werden. Auch muss sich niemand mit Thematiken wie Enteignung, Rassismus oder Kolonialismus auseinandersetzen, der sich für Wasserbau in der Region interessiert. Durch solche sprachlichen Auslassungen wird die These aufrechterhalten, dass der Kolonialismus in Deutschland unbedeutend war. Indem aber Diskurse angeregt werden, kann auch eine Meinungsbildung stattfinden. Das Ziel ist nicht, am Ende dieser ein schwarz-weiß Bild einer Person, eines Ereignisses oder gar der ganzen Stadt zu zeichnen, sondern eine differenzierte Auseinandersetzung zuzulassen.

Die Überschrift „Karlsruhe (Post)kolonial“ müsste dabei eigentlich mit einem Fragezeichen versehen werden („Karlsruhe postkolonial?“). Eine Anregung zur (weiteren, teilweise stattfindenden) Aufarbeitung der Geschichte der Stadt hilft sicherlich dabei, den Kolonialismus und eventuell auch koloniale Sichtweisen zu überwinden. Letztendlich kann dies aber nur ein Anstoß sein für eine viel tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Nachwirkungen des Kolonialismus wie Denkmustern, Darstellungen und Handlungen von „Anderen“, Gentrifizierungsprozessen in der Stadt, dem Umgang mit Migrant*innen und vielem mehr. Hier gilt es, in noch stärkerem Maße historische Kontinuitäten aufzuzeigen.

Über diese Seite

Sie befinden sich gerade auf der Startseite „Karlsruhe Postkolonial“. Bewegen Sie den Mauszeiger auf „Karlsruhe Postkolonial“ in der Menüleiste, öffnet sich das Menü dieser Seite. Als erstes sehen Sie einen Menüpunkt mit der Überschrift Hintergrundwissen. Dort soll ein grober Überblick über die Zusammenhänge des Kolonialismus gegeben werden – denn die Geschichte Karlsruhes kann unmöglich unabhängig von der Geschichte Deutschlands oder gar Europas betrachtet werden. Sie werden beim weiteren Lesen der Homepage immer wieder auf Verlinkungen zu relevanten Artikeln in diesem Bereich stoßen. Wenn Sie also etwas nicht verstehen oder einordnen können, können Sie beim „Hintergrundwissen“ weitere Informationen erhalten.

Im nächsten Teil geht es um die konkrete koloniale Geschichte Karlsruhes.

Diese wird unterteilt in drei Teilbereiche: in Ausstellungen und Veranstaltungen geht es um solche Ausstellungen und Veranstaltungen, die koloniales Wissen (re-)produziert haben und / oder die Bevölkerung für die koloniale Frage begeistern wollten. Bei Personen geht es um Menschen, die sich in Karlsruhe für die koloniale Sache eingesetzt haben. Im Bereich Wirtschaft und Handel geht es um Karlsruher Unternehmen, die ökonomisch vom Kolonialismus profitiert haben – die also erst durch den Kolonialismus entstehen oder zu Wohlstand kommen konnten.

Nach der Auseinandersetzung mit Karlsruhe als kolonialer Stadt soll aber auch der Bezug zur Gegenwart hergestellt werden: ist Karlsruhe: neokolonial oder postkolonial? Deshalb wird zuerst im Punkt Orte der kolonialen Erinnerung auf die Orte in Karlsruhe hingewiesen, die immer noch an die koloniale Vergangenheit erinnern und diese gegebenenfalls sogar ehren. Es soll aber auch darauf eingegangen werden, wo sich schon mit dieser Vergangenheit auseinandergesetzt wurde oder diese Auseinandersetzung heute noch stattfindet – im Bereich Auseinandersetzung.

Auch Sie sollen die Möglichkeit bekommen, sich mehr mit dem Thema weiterführend auseinandersetzen zu können. Im Bereich Literaturverzeichnis finden Sie diejenige Literatur, die zum Erstellen dieser Seite benutzt wurde und die in den einzelnen Artikeln angegeben wird. 

Ziel des Projekts

Ziel dieser Seite ist es, aufbauend auf die bereits stattfindenden Veranstaltungen, zu einem Diskurs einzuladen über die (städtische) koloniale Vergangenheit. Auch soll eine Beschäftigung mit der Stadtgeschichte angeregt werden in einem Bereich, der häufig vergessen wird. Durch den konkreten geografischen Bezug können sich die Bürger*innen Karlsruhes sehr greifbar mit Kolonialthemen auseinandersetzen.

Ganz generell geht es um Fragen wie: wo sind Orte der Erinnerung an Personen, die eine Rolle im (deutschen) Kolonialismus gespielt haben? Welches sind Orte, an denen koloniales Wissen (re-)produziert wurde, beispielsweise Ausstellungen, Schauen, Museen etc. Welche Stadtpersönlichkeiten haben sich für die koloniale Sache eingesetzt? Und weitere Fragen.

Hintergrundwissen

Die Geschichte und die Entwicklungen in Karlsruhe können nicht getrennt betrachtet werden von denen des gesamtdeutschen Reiches oder gar Europas. Um die Vorgänge zu verstehen, bedarf es einiges Hintergrundwissens. An dieser Stelle soll versucht werden, dieses (zumindest punktuell) zu geben. In den Punkten, in denen es konkret um Karlsruhe geht, gibt es immer wieder Verlinkungen auf die entsprechenden Artikel im Hintergrundwissen. Sie erlauben es, das Gelesene in einen größeren Kontext einzuordnen.

Zudem werden einige Konzepte und Ereignisse kurz erläutert, die allgemein für das Verständnis der Webseite wichtig sind.

Deutschland begann, im Vergleich zu anderen Kolonialmächten, erst relativ spät mit der tatsächlichen Kolonisierung von Gebieten. Es hatten sich aber zuvor schon viele Deutsche in den Kolonien anderer Länder engagiert: deutsche Wissenschaftler, Händler, Kaufleute, Forscher, Missionare und Soldaten waren häufig schon zuvor im Dienst der anderen europäischen Kolonialmächte. (Gründer & Hiery 2017:9). Zudem fiel das deutsche Engagement in die Zeit des Hochimperialismus, in der die Verbesserung von Transportmitteln einen schnelleren Austausch von Informationen, Waren und den Personen ermöglichte. Deshalb suchte man für die sich globalisierende Wirtschaft neue Absatzmärkte in Übersee. Nicht zuletzt wollten die Deutschen durch die Kolonien Ansehen in der Welt erlangen (Lindner 2016:16). Aber schon bevor das deutsche Reich damit begann, andere Länder zu kolonisieren, hatten einige deutsche Adlige kleinere, private Kolonien. So konnte beispielsweise Preußen-Brandenburg im 17. Jahrhundert durch Kolonien im heutigen Ghana und die Pachtung eines Teils der dänischen Insel St. Thomas rund 30 Jahre lang mit Sklavenhandel Geld verdienen (Gründer & Hiery 2017:10).

Der Durchbruch zur erfolgreichen Durchsetzung kolonialer Propaganda und Organisation gelang durch Friedrich Fabris Schrift „Bedarf Deutschland der Kolonien?“ im Jahr 1879. In dieser legte er dar, wie die Frage der wachsenden Bevölkerung durch eine Massenauswanderung geregelt werden könne, da der Lebens- und Ernährungsraum immer enger würde. Zudem forderte er einen Zugang zu Absatzmärkten und Rohstoffquellen sowie Anlagegebiete für den Kapitalexport. Des Weiteren sollten die Kolonien bei der Bewältigung innerpolitischer Probleme helfen (z.B. durch Verbrecherkolonien) und nicht zuletzt die Kolonialpolitik als Mittel zur nationalen Einigung dienen, sowie offensive deutsche „Kulturmission“ betrieben werden (Gründer & Hiery 2017:12, vgl. auch Lindner 2016:19).

Obwohl Bismarck einer Kolonisation zunächst skeptisch gegenüberstand, hatte er den Vorsitz der Berliner Westafrika-Konferenz, die zwischen November 1884 und Februar 1885 stattfand und an welcher 13 europäische Staaten sowie die USA teilnahmen. Bei der Konferenz wurde der Zugang zu Handel und Mission vertraglich geregelt. Vor allem kam es aber zu einer Festlegung von Kriterien für die Anerkennung von Kolonialbesitz („effektive Besetzung“). Dies löste einen Wettlauf um nicht besetzte Gebiete sowie die definitive Abgrenzung des Besitzstandes aus. Innerhalb weniger Jahre wurde ganz Afrika (außer Äthiopien und Liberia) unter den europäischen Mächten aufgeteilt (Gründer & Hiery 2017:14f.). Daraufhin erwarb Deutschland innerhalb eines Jahres vier „Schutzgebiete“ in Afrika (Deutsch-Südwest, Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika) und Gebiete in der Südsee (Deutsch-Guinea und die Marshallinseln). Die besetzten Gebiete hießen „Schutzgebiete“, da die Verwaltung der Territorien durch große Handelsgesellschaften erfolgen sollte und somit auch das finanzielle Risiko bei den Handelsgesellschaften liegen sollte. Dafür erhielten sie „kaiserliche Schutzbriefe“ und standen außenpolitisch unter dem Schutz des Reiches. Dieses Modell scheiterte jedoch und das Reich übernahm im Laufe der Zeit auch die rechtliche und politische Hoheit über die Gebiete – mit allen finanziellen und militärischen Folgen. Der Name „Schutzgebiete“ blieb zwar erhalten, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich nicht um „Protektorate“, sondern um „echte“ Kolonien handelte. Auch in anderen Teilen Afrikas und der Südsee gab es Versuche, deutsche Kolonien zu errichten, was teils auch gelang. Viele dieser Gebiete wurden allerdings wieder gegen diplomatische Anerkennung der bestehenden Gebiete oder gegen ein anderes Gebiet getauscht (wie etwa Sansibar gegen Helgoland) (Gründer & Hiery 2017:16f.). Zudem engagierte sich Deutschland zusammen mit anderen europäischen Kolonialmächten in China. Zwischen 1897 und 1914 bestand in der Bucht von Kiautschou/Jiazhou ein Marinestützpunkt. Bald kam es aber zu Auseinandersetzungen mit der chinesischen Bevölkerung. Die Imperialmächte arbeiteten hier eng zusammen, wie am gemeinsamen Vorgehen gegen die chinesische Boxerbewegung und später gegen die chinesische Regierung festzumachen ist. Bei dieser militärischen Aktion war der Oberbefehlshaber der Deutsche Alfred Graf von Waldersee (Lindner 2016:21). Unter dem Einfluss Bernhard von Bülows kaufte das Deutsche Reich von Spanien Ende des 19. Jahrhunderts die Marianen, Palau, und die Karolinen-Inseln. 1900 erhielt das Reich auch noch die westlichen Samoa-Inseln. Die letzte Erweiterung gab es 1911 durch einen Ausgleich mit Frankreich nach der Marokko-Krise: die deutsche Kolonie Kamerun wurde um einige Gebiete erweitert (Gründer & Hiery 2017:19f.). Gerade im Südpazifik stimmte man sich sehr eng mit anderen Kolonialmächten, insbesondere Großbritannien, ab. Dort ging es weniger um wirtschaftliche Vorteile, als um die Vorstellung Deutschlands als Weltmacht und das damit verbundene Ansehen (Lindner 2016:21).

Wirtschaftlich waren die Kolonien nie rentabel für den Staat (nur in Togo konnten einige Überschüsse erzielt werden). Dafür hatten einige Privatunternehmen und Minengesellschaften Gewinne (Lindner 2016:22).

Insgesamt umfassten die deutschen Kolonien 2% der Weltlandfläche; zum Vergleich: England besetzte 22,3%, Russland 11%, Frankreich 7%. Trotzdem war der Kolonialbesitz fast sechs Mal so groß wie das „Mutterland“ selbst. Das Kolonialreich endete faktisch nach dem ersten Weltkrieg, völkerrechtlich jedoch spätestens 1921. Die deutschen Kolonien wurden unter den Kriegsgewinnern verteilt, die das Gebiet militärisch besetzt hatten (Gründer & Hiery 2017:20ff.).

Zunächst handelte es sich bei den Kolonien nur um Niederlassungen an der Küste, die mit einigen Stützpunkten im Hinterland verbunden waren. Das bedeutet für die Deutschen, dass sie zu Beginn noch stark auf eine Kooperation mit den Einheimischen angewiesen waren. Für den Hauptteil der Bevölkerung bedeutete es wiederum, dass er anfangs nur wenig von der Kolonialherrschaft betroffen war, es handelte sich um eine Herrschaft mit begrenztem Einfluss.

Speitkamp (2016:34) beschreibt den Beginn der deutschen Kolonisation folgendermaßen:

„Die Deutschen kamen also keineswegs als glorreiche Eroberer. Sie waren schlecht vorbereitet, mussten sich an der Küste einheimische Träger mieten und weitere Tauschware erwerben, brauchten einheimische Führer und Wachtruppen und in kritischen Situationen Fürsprache von Warlords. Generell mussten die Deutschen Kontakt zu den Eliten vor Ort knüpfen und sich auf deren Stärke verlassen, deren Verhandlungsformen akzeptieren. Und sie benötigten Dolmetscher, denn in aller Regel sprachen sie die lokalen Sprachen nicht.“

Nach und nach wurden die Infrastruktur und die Administration ausgebaut – dadurch stieg der Druck auf die indigene Bevölkerung. Über Hütten- und Kopfsteuern zwang man die Bevölkerung in die abhängige Arbeit auf Plantagen, in Minen und in Infrastrukturprojekten. Dies bedeutete, dass viele Einheimische gezwungen wurden, innerhalb des Landes an neue Orte zu ziehen, was dazu führte, dass soziale Strukturen auseinandergerissen wurden. In den meisten Kolonien Afrikas entwickelten die Kolonialherren so Systeme der unbezahlten Zwangsarbeit. In der einzigen Siedlerkolonie des Deutschen Kaiserreichs, Deutsch-Südwestafrika, kam es zudem zu Landenteignungen (Lindner 2016:22f.). Diese, die gewaltsamen Herrschaftsmethoden, die zunehmende Rechtsunsicherheit sowie die betrügerischen Geschäftspraktiken der Weißen führten letztendlich zu Aufständen zunächst der Herero, später auch der Nama, die im Herero-und-Nama-Krieg in Deutsch-Südwestafrika von 1904 bis 1907 mündeten (vgl. Gründer 2012:121-138). Ein Teil des Krieges war der Völkermord an den Herero, die von Lothar von Trotha in die Wüste Omaheke zum Verdursten getrieben wurden. 75-80% der Gesamtbevölkerung der Herero und 50% der Nama wurden dabei umgebracht. 25% der überlebenden Herero und Nama wurden zudem in fremde Landesteile deportiert (Gründer 2012: 130f.). Der zweite große deutsche Kolonialkrieg war der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika von 1905 bis 1907. Ihm war jahrelang andauernder (auch gewaltsamer) Widerstand vorausgegangen. Auch hier protestierten die Einheimischen gegen die unentgeltliche Fronarbeit, gegen die Brutalität der Söldner, die Hüttensteuer und die Praktiken bei der Eintreibung dieser, sowie die zunehmend weiße Besiedlung und die betrügerischen Lohnpraktiken europäischer Wirtschaftsunternehmen (Gründer 2012:172-175). Beim Maji-Maji Krieg starben auf afrikanischer Seite insgesamt zwischen 250 000 und 300 000 Menschen, auf deutscher Seite waren es hingegen nur ca. einhundert (Lindner 2016:25), Speitkamp (2016:37) spricht sogar nur von fünfzehn getöteten Europäern – diese ungleiche Verteilung war der waffentechnischen Überlegenheit der Imperialmächte geschuldet. Erst ab 1907, nach den Kolonialkriegen, kam es zu einer Reform der Kolonialverwaltung, da die Kriege sowie mehrere Kolonialskandale für erhebliche Kritik auch in Deutschland sorgten. Dafür setzte das Reichskolonialamt einen neuen Kolonialstaatssekretär als Reformer ein, der die Verwaltung professionalisieren sollte. Ähnliche Prozesse waren auch bei anderen Kolonialmächten beobachtbar: insgesamt wollte man einen „modernen, effizienten, wissenschaftlichen“ Kolonialismus, in dem nicht nur die natürlichen Ressourcen eines Landes optimal genutzt wurden, sondern auch die Arbeitskraft der einheimischen Bevölkerung. „Im internationalen Vergleich ist die deutsche Kolonialherrschaft [in Afrika, N.H.] auch von Zeitgenossen oft als besonders brutal beschrieben worden. Togo galt in den benachbarten Kolonien als das 25-country, weil niedrige Kolonialbeamte Prügelstrafen mit 25 Peitschenhieben ohne jedes Urteil ausführen konnten“ (Lindner 2016:24, kurs. im Original). Ein weiteres Problem war, dass die Deutschen ihre koloniale Einmischung in hohem Maße als Prestigeprojekt wahrnahmen und sich zudem stark von militärischen Ehrvorstellungen leiten ließen, was dazu führte, dass sie kaum zu Kompromissen bereit waren. Aufständische wurden bis zum Schluss verfolgt, einziges Ziel war die vollständige Kapitulation. Auch andere Kolonialmächte waren sehr brutal, ließen sich aber auch auf Verhandlungen ein (beispielsweise Großbritannien) (Lindner 2016:25).  Insgesamt fiel die deutsche koloniale Intervention in die Zeit des Hochimperialismus. In dieser Zeit waren in allen Kolonialreichen rassistische und sozialdarwinistische Theorien verbreitet. Es herrschte die Ansicht, Europäer*innen hätten ein „Recht“ auf Kolonien. Der Umgang mit den Einheimischen fiel dabei sehr unterschiedlich aus (je nachdem, wie sie in der rassistischen Hierarchie eingestuft wurden: die Samoaner*innen waren in der Hierarchie recht weit oben, ihre Traditionen sollten erhalten werden und generell war die Sicht auf sie geprägt durch einen erotisierenden und exotisierenden  Charakter – der Bewunderung für die „edlen Wilden“. In China gab es eine stärkere Segregation zwischen Deutschen und Chines*innen – dort sollte eine Musterkolonie ohne Vermischung entstehen. Als „mongolische Rasse“ galten die Chines*innen als untergeordnet, da sie zahlenmäßig jedoch stark überlegen waren, wurde die Angst vor der „gelben Gefahr“ geschürt, was einer der Gründe sein mag, warum sich das Deutsche Reich am Vorgehen der Imperialmächte gegen die chinesische Boxerbewegung beteiligte. Afrikaner*innen waren ganz unten auf der hierarchischen Leiter angesiedelt. Sie sollten in erster Linie diszipliniert werden und für „ihre“ Kolonialherren arbeiten. Dies verdeutlicht das Beispiel Deutsch-Südwestafrika: nach dem Herero-und-Nama-Krieg hatten die Einheimischen kein Recht mehr auf Landbesitz, keine freie Wohnortwahl und man zwang sie in körperlich anstrengende, abhängige Lohnarbeit (Lindner 2016:25f.).

Als Kolonialrevisionismus wird die Zeit zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg bezeichnet, in der Deutschland keine Kolonien mehr hatte, diese aber zurückerlangen wollte.

Die deutschen Kolonialgebiete wurden nach dem ersten Weltkrieg dem Völkerbund formell als „Mandate“ übertragen, was bedeutet, dass die Alliierten die Gebiete bekamen. Dies rief einen starken Protest der deutschen Nationalversammlung hervor, die die„Wiedereinsetzung Deutschlands in seine kolonialen Rechte“ forderte. Die alliierten Mächte begründeten die „Mandatsübertragung“ durch Vorwürfe, dass Deutschland sich nicht richtig um „seine“ Kolonien habe kümmern können. Dies bildete von da an den Kern dessen, was später als „koloniale Schuldlüge“ bezeichnet wurde [siehe unten], die wiederum ein Eckpfeiler des gesamten Kolonialrevisionismus war (Gründer 2012:258).

Geregelt wurde die „Mandatsübertragung“ durch den Paragraphen 22 im Versailler Vertrag, der als stigmatisierend empfunden wurde. Die Deutschen fühlten sich in ihrer Identität angegriffen, was sich besonders in der Erörterung von Kolonialfragen niederschlug. Kämper (2016:196) beschreibt dies so: „Obwohl der deutsche Kolonialdiskurs immer schon ein Identitätsdiskurs war, ein Diskurs über das deutsche Selbstbild, obwohl es stets und von Beginn an um die deutsche Stellung in der Welt ging […] – seit der Versailler Vertrag die marginalisierte Position der Deutschen vor den Augen der gesamten Welt festschrieb, wurde der Zweck der diskursiven Identitätsarbeit noch viel wichtiger“. Insgesamt beschreibt Kämper (2016) diesen kolonialen und vor allem kolonialrevisionistischen Identitätsdiskurs als einen wir auch Diskurs. Dies begann laut Kämper (2016:209) mit dem Zuruf des Reichskanzlers Bernhard von Bülow im Reichstag am 6. Dezember 1897: „Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne” (kurs. N.H.). Dieses wir-auch-Syndrom wirke nach 1918/1919 weiter.

„[…] wir auch ist gleichsam als diskursive Grundfigur des Kolonialdiskurses zu beschreiben, seit es ihn gibt. So lauten die oben beschriebenen Argumente in ihrer vollständigen Form:
– Wir wollen auch an der kulturellen Hebung primitiver, nicht-zivilisierter Völker teilhaben.
– Wir haben auch das Recht, von überseeischen Rohstoffen zu profitieren.
– Wir benötigen auch kolonialen Siedlungsraum“ (Kämper 2016:210, kurs. und unterstrichen im Original).

Nach der Mandatsübertragung wurde das Reichskolonialamt aufgelöst und stattdessen der Kolonial-Zentralverwaltung im Reichsministerium für Wiederaufbau unterstellt, die explizit den Auftrag hatte, „die Weiterentwicklung der abgetretenen Schutzgebiete, die Entwicklung der kolonialen Frage überhaupt und die Möglichkeit der Wiedererlangung von Kolonialbesitz zu verfolgen“. Außerdem unterstützte sie die propagandistisch tätigen Kolonialverbände und Kolonialgesellschaften finanziell und entschädigte Unternehmen. Von Beginn der Weimarer Republik an wurde also die Wiedererlangung des Kolonialbesitzes von staatlicher Seite aus angestrebt (Gründer 2012:259). Dies lag auch daran, dass den Kolonien weiterhin ökonomische, soziale, nationale und kulturelle Bedeutung zugeschrieben wurde (Gründer 2017:165). Unterschiede zur wilhelminischen Zeit waren vor allen Dingen die stärkere Betonung des Imports statt des Exports und mehr Wertlegung auf das demographische Argument („Volk ohne Raum“). Vergessen wurde dabei, dass der Anteil der Kolonien am deutschen Außenhandel vor 1914 jedoch verschwindend gering war und die vielbeschworenen wichtigen Rohstoffe (Kohle, Baumwolle, Gummi, Mineralöle und viele mehr) in den ehemaligen Mandatsgebieten kaum bis gar nicht vorkamen (Gründer 2017:165).

Außerdem waren auch die Kolonialgebiete als deutscher Lebensraum, aufgrund fehlenden Interesses, von keiner Bedeutung gewesen (Kämper 2016:203).

Gerade auch die Kolonialliteratur erlebte in der nachkolonialen Phase ihren Höhepunkt, deren Spitze 1938/1939 erreicht wurde (Gründer 2012:260). Zu einem Klassiker wurde Heinrich Schnees Die koloniale Schuldlüge. In Literatur und allgemeiner Debatte wurde die Ansicht verbreitet, Deutschland habe eine geradezu philanthropische Kolonialpolitik betrieben, die wirtschaftliche Entwicklung gefördert und die Einheimischen gut behandelt (Speitkamp 2016:39). Es entspannte sich eine bestimmte Folklore rund um koloniale Romane und Erzählungen. In diesen verbanden die Autoren eine romantisierte Blut-und-Boden-Ideologie mit dem Recht Deutschlands auf Kolonien. Die Erzählungen kreisten vornehmlich um Personen, die eine besondere Rolle in den Kolonien gespielt haben, wie der Kolonialoffizier Paul von Lettow-Vorbeck (Gründer 2017:166).

Auch für führende Politiker, Parteien und Organisationen war das Bekenntnis zur kolonialen Revision als Teil des „Kampfes gegen Versailles“ beinahe verpflichtend. Generell kam es nur selten zu großen Kolonialdebatten wie vor 1914, da politisch relativer Konsens über der Kolonialfrage herrschte. Trotzdem fand der Kolonialrevisionismus am ehesten in der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei eine parteipolitische Vertretung (Gründer 2012:260-264). Gerade aber im linken und linksliberalen Spektrum tauchten immer mehr Zweifel an der politischen und moralischen Rechtfertigung des Kolonialismus und dem Nutzen von Kolonien auf. Trotzdem: auch wenn viele Prominente der Zeit wie Albert Einstein und Thomas Mann Kolonien ablehnten, standen fast alle Politiker weiterhin hinter der Kolonialfrage, wie Konrad Adenauer, der ab 1931 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Kolonialgesellschaft war und aus raumpolitischen Gründen am Kolonialanspruch festhielt. Auch für den Außenminister, Gustav Stresemann, war die Forderung nach der Rückgabe von Kolonien zunächst fester Bestandteil seiner Politik, er gab sie aber später auf zugunsten einer auf Ausgleich bedachten Politik in Verhandlungen mit anderen Westmächten (Gründer 2017:168f.).

Für die deutsche Öffentlichkeit geriet die Kolonialfrage immer mehr in den Hintergrund, auch kamen gerade Mitte der 1920er Jahre immer mehr Zweifel am „kolonialen Auftrag des weißen Mannes“ auf (Gründer 2012:260). Für viele Deutsche war das Thema weit weg von ihrem Lebensalltag – sowohl geographisch als auch zeitlich (Gründer 2017:168). Die kompromisslose Vertretung der kolonialen Revisionsforderungen blieb also weitestgehend Anliegen der kolonialen Interessensverbände, allen voran der „Deutschen Kolonialgesellschaft“ (Gründer 2012:260).

Eine Veränderung der kolonialrevisionistischen Hetze erfolgte nach der Machtübernahme der Nazis. Diese forderten zwar offiziell von Anfang an Kolonien, zogen aber eine europäische ‚Bodenpolitik‘, also eine Inbesitznahme Osteuropas, einem ‚Überseeimperium‘ vor. Um nach der Machtergreifung sowohl den Revisionswünschen liberalkonservativer Kreise als auch dem außenpolitischen Kurs des Ausgleichs mit England gerecht zu werden, überließ man die koloniale Agitation den Kolonialverbänden, machte aber keine ‚unmittelbare amtliche Propaganda‘. Bis Ende 1936 erfolgte die ‚Gleichschaltung‘ sämtlicher Kolonialverbände und -einrichtungen, welche ab 1933 in den ‚Reichskolonialbund‘ eingegliedert wurden. Dieser hatte 1941 immerhin 2,1 Millionen Mitglieder [1]. Bis 1935 betrieb Hitler eine Politik der maritimen und kolonialen Enthaltung, um von England ‚freie Hand‘ in Europa zu bekommen, danach folgte eine Politik kolonialer Sanktionsdrohungen: Hitler bestand auf die Beteiligung Deutschlands. Es erfolgte eine Intensivierung der kolonialen Propaganda durch Kolonialausstellungen, Vorträge und koloniale Publikationen. Dies erklärt auch, warum die Hauptschaffensperiode deutscher Kolonialliteratur zwischen 1937 und 1939 lag. 1941 lief auch beispielsweise in den Kinos der Propagandafilm „Carl Peters“ (Gründer 2017:170ff.).

1939 startete Hitler Blitzfeldzüge in Afrika. Die Kolonien sollten später natürlich auf dem Pfeiler der ‚Rassenhygiene‘ entstehen, also in einem Apartheidsregime enden. Spätestens 1940 mit Beginn des Russlandfeldzugs verschwand das Projekt eines deutschen Mittelafrikas aber aus Hitlers Plänen. Letztendlich wurden die Kolonien nie als Ersatz zum ‚Lebensraum im Osten‘ gesehen (Gründer 2017:172ff.).

[1] Zum Vergleich: Mitte der 1920er Jahre waren es nominal ca. 80 000 Personen, die sich in Kolonialvereinen engagierten, die aber, da sie sich in mehreren Vereinen engagierten, vielmals doppelt gezählt wurden (Speitkamp 2016:39).

  • Beherrschungskolonien

    In Beherrschungskolonien wurden „nur eine geringe Anzahl von Bürokraten, Geschäftsleuten und Militärangehörigen zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung und der strategischen Absicherung imperialer Politik eingesetzt.“ Als Beispiel hierfür kann Indien dienen, das hauptsächlich vom „Mutterland“ Großbritannien aus regiert und wirtschaftlich stark ausgebeutet wurde (Castro Varela & Dhawan 2015:24). Für das Deutsche Reich wäre Deutsch-Ostafrika ein gutes Beispiel einer Beherrschungskolonie.

  • Stützpunktkolonien

    Stützpunktkolonien wurden hauptsächlich für logistische Zwecke benutzt, in der Regel, um mit der eigenen Flotte an Macht in den Meeren zu gewinnen (Castro Varela & Dhawan 2015:25). Für das Deutsche Reich diente die Bucht von Kiautschou/Jiazhou in China als Stützpunktkolonie.

  • Siedlungskolonien

    Siedlungskolonien waren neben den Beherrschungskolonien und den Stützpunktkolonien eine dritte Kolonisationsform, „bei denen billiges oder enteignetes Land unter Ausbeutung indigener Arbeitskräfte oder ‚eingeführter‘ Sklaven und Sklavinnen bearbeitet und von europäischen Farmern und Plantagenbesitzern verwaltet wurde. Flankiert von militärischen Aktionen wurden so riesige Territorien eingenommen und zur Heimat erklärt“ (Castro Varela & Dhawan 2015:24f.). Viele Deutsche, wie beispielsweise der Karlsruher Professor Theodor Rehbock, sahen Deutsch-Südwestafrika als perfekte Siedlungskolonie an.

Die deutschen Kolonialbewegungen

Kolonialverbände spielten im Kaiserreich und auch in der Weimarer Republik eine wichtige Rolle bei der kolonialen Agitation. Sie waren auch in Karlsruhe sehr aktiv.
Hintergrund der Gründung von Kolonialgesellschaften war die vermehrte Auswanderung (gerade auch nach der Revolution 1848/1849), die ab 1843 zur Entstehung privater Auswanderungs- und Kolonisationsvereine führte. Nur einige wenige dieser frühen Kolonialvereine erlangten wirkliche Bedeutung, so auch der 1848 gegründete „Nationalverein für Auswanderung“, der sogar von den Regierungen Badens, Hessens und Württembergs unterstützt wurde und als zentrale Beratungs- und Betreuungsstelle fungierte. Seit den 1870er Jahren, im forcierten Tempo jedoch erst nach 1890, fand eine breite Verbandsentwicklung auf parteipolitischer, wirtschaftlicher und sozialpolitischer Ebene statt (Bendikat 1984:15-37).  Es entstanden unzählige Kolonialvereine: beispielsweise 1878 die „Afrikanische Gesellschaft“, die durch Zusammenschluss zweier Afrikagesellschaften entstand. Sie erhielt eine staatliche Subventionierung zur Förderung der Afrikaforschung. Sie ist nicht zu verwechseln mit der 1885 gegründeten „Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft“ (DOAG), die eng mit der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ (GfdK) zusammenhing oder der „Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika“ (DKGSWA), die 1885 von der „Deutschen Kolonialgesellschaft“ (DKG) initiiert wurde. Dann gab es noch solche Vereine, die bestimmte wirtschaftliche Interessen vertraten, wie zum Beispiel der 1868 gegründete „Centralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Auslande“, bei dem wiederum viele der Mitglieder später in der DKG aktiv waren oder der von Fabri 1880 gegründete „Westdeutsche Verein für Kolonisation und Export“, der stark expansionistische Interessen vertrat und 1887/1888 auch von der DKG absorbiert wurde (vgl. Bendikat 1984). Die mannigfaltige Landschaft an (weiteren) Kolonialvereinen aufzuarbeiten, ist allerdings nicht essentiell für diese Seite.

Der deutsche Kolonialverein (DKV) wurde 1882 gegründet. Er war der bis dahin größte und wichtigste Kolonialverein und verlieh der deutschen Kolonialbewegung neuen Auftrieb. „Die Gründung und der organisatorische Aufbau des DKV vollzogen sich im Rahmen der ersten imperialen Expansionsphase und des kolonialen Enthusiasmus“ (Bendikat 1984:71f.). Bedeutend für die Gründung waren drei Personen: Freiherr von Maltzan, Freiherr v. d. Brüggen und Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg, der auch zum Präsidenten bestimmt wurde; letzterer war auch 1886 auf der Tagung der Generalversammlung in Karlsruhe. Zudem waren bei Gründung des Vereins auch Vertreter gerade der süddeutschen Industrie neben anderen Wirtschaftsorganisationen beteiligt.
Da Bismarck die Gründung des DKV nicht wirklich unterstützte, richtete sich der Gründungsaufruf durch Hinweise auf die Überbevölkerung sowie auf neue Absatzmärkte und Handelsförderung gezielt an die private Initiative von Wirtschafts- und Kapitalkreisen, aus denen auch Unterstützung kam. Da der DKV bei Gründung nur 200 Mitglieder hatte, verbrachte er die ersten zwei Jahre mit Mitgliederwerbung und der Festigung seiner Kolonialpropaganda, ab 1884 stiegen die Mitgliederzahlen. Dies machte sich auch auf der Generalversammlung in Karlsruhe bemerkbar: 1886, vier Jahre nach Gründung, erschienen immerhin schon 400 Menschen auf der Veranstaltung (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1886:56). Vor allem das Besitzbürgertum und die gehobene Mittelschicht aus West- und Süddeutschland stellten die Mitglieder.
Inhaltlich war das Ziel des DKV, propagandistisch tätig zu sein und die Errichtung von Handelsstationen zu fördern. Die praktische Kolonisation und wie diese vonstatten gehen sollte war ein großes Konfliktthema im Verein (aber auch generell in der Kolonialbewegung der 1880er).
Insgesamt empfand sich der DKV als nationaler, überparteilicher Verein; konkret kamen die Hauptakteure aber aus den Reihen der Nationalliberalen und Freikonservativen. Ab 1884 brachte der DKV beispielsweise vierzehntägig die „Deutsche Kolonialzeitung“ heraus, die zwar an das „Volk“ gerichtet sein sollte, letztendlich aber durch ihren Inhalt und Stil das gehobene Bildungsbürgertum ansprach und bis 1893 eine Auflage von 22 000 erreichte (Bendikat 1984:57-71).
1887 schlossen sich der DKV und die GfdK zusammen zur Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) (Bendikat 1984:106).

Die Gesellschaft für deutsche Kolonisation (GfdK), ein Konkurrenzunternehmen zum DKV, wurde 1884 auf Anregung von Carl Peters gegründet – auf dem Höhepunkt kolonialpolitischer Begeisterung. Peters, der in Ostafrika für Deutschland formelle Gebietsansprüche erwarb und zudem im Vorstand der 1885 gegründeten Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG) und zweiter Vorstand der DKG 1888/1889 war, spielte als Vorstand der GfdK eine entscheidende Rolle für diese (Bendikat 1984:88f.).
Zwar hatte die GfdK weniger Mitglieder als der DKV, jedoch sammelten sich einige einflussreiche Mitglieder in der Gesellschaft, die hauptsächlich aus den Reihen der Konservativen und Freikonservativen kamen. Im Gegensatz zum DKV repräsentierte die GfdK jedoch stärker das breite Spektrum der Mittelschichten (von Adeligen und Offizieren bis hin zu kleinbürgerlichen Intellektuellen und der unteren Mittelschicht). Ihre regionalen Schwerpunkte lagen in Sachsen, Bayern, Brandenburg, Schlesien und Baden (Bendikat 1984:89ff.).
Programmatisch unterschied sich die GfdK vom DKV in der Hinsicht, dass sie nicht so sehr die „theoretische Aufklärungsarbeit“, also Kolonialpropaganda im Deutschen Reich fokussierte, sondern ihren Schwerpunkt auf die aktuelle deutsche Kolonialpolitik, also die praktische Umsetzung, legte. Auch räumte sie der Auswanderungsfrage und dem Siedlungskolonialismus höhere Priorität ein. Ökonomische Expansionsargumente spielten eher eine untergeordnete Rolle (anders als beim DKV), stattdessen dominierte ein „ideologisch fundierter Imperialismus“, dessen Hauptelement ein radikaler Nationalismus bildete. Im Vergleich zum DKV vertrat die GfdK also einen aggressiveren Expansionismus, der in Chauvinismus und Anglophobie mündete (Bendikat 1984:91f.).
Auch vertrat die GfdK eine starke“Herrenrassenideologie, sah Weiße als moralisch überlegen an und führte Preisausschreiben mit Titeln wie „Wie erzieht man am besten den Neger zur Plantagenarbeit“ durch (Bendikat 1984:92f.). „Sozialdarwinismus, Rassismus und politischer Biologismus waren somit feste Bestandteile dieser extremen Expansionsideologie. Auf dieser ideologischen Basis wirkte die GfdK als Initiator der Alldeutschen Bewegung“ [siehe unten] (Bendikat 1984:93).
Nach Gründung der DOAG, mit der die GfdK eng verknüpft war und deren Bedeutung gegenüber der der GfdK immer mehr stieg, wurde die GfdK entgegen ihrem ursprünglichen Ansatz immer mehr zur Propagandaorganisation (Bendikat 1984:95).

„Der Rassismus, der auf der Grundlage erbgenetischer Faktoren und physisch-psychischer Eigenarten die Höherwertigkeit einer Rasse über die andere postulierte, diente letztendlich der Legitimation kolonialer Herrschaftspraxis. Die DKG darf somit implizit als erster organisitierter Ausdruck des Rassismus betrachtet werden“ (Bendikat 1984:141).

Die deutsche Kolonialgesellschaft wurde als Reaktion auf die anhaltende Stagnation der Kolonialeuphorie im Deutschen Reich durch den Zusammenschluss von DKV und GfdK gegründet, wobei die kleinere GfdK faktisch vom DKV absorbiert wurde (Bendikat 1984:105f.). 
Als offizieller Zweck der Gesellschaft wurde bei Gründung angegeben:

„1. die nationale Arbeit der deutschen Kolonisation zuzuwenden und die Erkenntnis der Notwendigkeit derselben in immer weitere Kreise zu tragen;
2. die praktische Lösung kolonialer Fragen zu fördern;
3. deutsch-nationale Kolonisations-Unternehmungen anzuregen und zu unterstützen;
4. auf die geeignete Lösung der mit der deutschen Auswanderung zusammenhängenden Fragen hinzuwirken;
5. den wirtschaftlichen und geistigen Zusammenhang der Deutschen im Auslande mit dem Vaterlande zu erhalten und zu kräftigen;
6. für alle auf diese Ziele gerichteten, in unserem Vaterlande getrennt auftretenden Bestrebungen einen Mittelpunkt zu bilden“ (Bendikat 1984:107).

Neben gesellschaftlichen Aktivitäten leisteten die regionalgegliederten Abteilungen eine vielfältige Öffentlichkeitsarbeit. Die DKG verlegte beispielsweise ihre eigene „Deutsche Kolonialzeitung“ und brachte auch ab 1907/08 die Zeitschrift „Kolonie und Heimat“ durch den angeschlossenen Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft heraus. Ab 1902 veranstaltete die DKG auch große „Kolonialkongresse“ (auch 1905, 1910 und zuletzt stattfindend 1924). Dadurch versuchte sie immer wieder öffentlichkeitswirksam den „kolonialen Gedanken“ und „Deutschlands koloniale Mission“ zu verbreiten sowie der „Kolonialmüdigkeit“ entgegenzutreten (Gründer & Hiery 2017:21).

Absolut gesehen hatten große Städte wie Berlin, Dresden, Köln, München, Hannover oder Frankfurt a.M. die meisten Mitglieder. Vergleicht man den Organisationsgrad der regionalen Abteilungen mit der entsprechenden Einwohnerzahl, zeigt sich aber, dass das breite Mitgliederreservoir aus den kleinen und mittleren Städten kam. Besonders hoch war der Organisationsgrad in wirtschaftlichen Mischzonen (agraisch und industriell) im Großherzogtum Hessen sowie in Baden. Dies hatte verschiedene Gründe: der Übergang vom Agrar- zum Industriestaat, Rezessionsphasen, Tendenzen der Realitätsflucht, Erlebnisarmut und der Mangel an kontroverser und qualitativ guter Presse gerade in kleinen und mittleren Städten (Bendikat 1984:111f.).
Die Mitgliederzahlen der DKG stiegen zunächst langsam, erst ab 1907 stieg die Mitgliederzahl kontinuierlich. „Bis zum Ende der 1880er Jahre hatte sich die DKG als überregionale Zentralorganisation imperialistischer Agitation konstituiert“ (Bendikat 1984:133). Obwohl die Mitgliederzahl im Laufe der Kolonisation stark wuchs, war sie, verglichen mit anderen Vereinen, relativ gering (Gründer & Hiery 2017:21). Der zentrale Leitungsapparat der DKG lag in den Händen der sozialen Führungsgruppen des Kaiserreichs, wodurch sie ein hohes sozioökonomisches und politisches Machtpotenzial besaß. Der Vorstand wählte zwei Adelige als Präsidenten: Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (1882-1894) und Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1895-1920). Viele Adelige engagierten sich in der DKG, da diese einen überparteilichen, „rein patriotischen“ Charakter zu tragen schien. „Die Basis rekrutierte sich aus dem breiten Spektrum der Mittelschichten, wobei die akademischen Mittelschichten zahlenmäßig überwogen.“ Der Status und die Entscheidungsspielräume der unteren Mittelschichten waren in der DKG sehr gering, der akademischen Mittelschicht gelang das Vordringen in den Vorstand und die zentralen Ausschüsse (Bendikat 1984:134f).
Insgesamt vertrat die DKG spezifische sozioökonomische und politische Interessen, die aber als allgemeine Interessen der Nation dargestellt wurden, indem man sie argumentativ als „vaterländische Interessen“ ausgab. So versuchte man den nationalen Einheits- und Machtstaatsgedanken zu vertreten, der quasi über den „Parteihader“ hinausging und zur Reichsgründungszeit gerade unter Konservativen populär war. Ein zentrales Element der politisch-ideologischen Ausrichtung war der Nationalismus. Innerhalb der Fraktion, die den radikalen Nationalismus vertrat, traten auch chauvinistische Tendenzen auf, wie sie auch schon in der GfdK zu sehen waren. Die Kolonialideologien boten die Möglichkeit zur Entladung gesellschaftlicher Probleme und Ressentiments nach außen, zudem boten sie die Möglichkeit der Realitätsflucht durch Hinweise auf „Exotisches“ und „Abenteuerliches“ (Bendikat 1984:139ff.).  Auch wenn die DKG versuchte, Einfluss im politischen Entscheidungs- und Willensbildungsprozess zu nehmen, war ihr Wirkungsgrad (trotz anderer vereinsinterner Darstellung) auf politischer Ebene minimal (Bendikat 1984:145).
Zusammenfassend schreibt Bendikat (1984:142f.) über die DKG:

„Die DKG leistete auf ihrem spezifischen Gebiet einen Beitrag zum Eindringen imperialistischer Ideologie und vereinzelter präfaschistischer Tendenzen in die breite Schicht des Bürgertums. […] Hinsichtlich ihrer Typologisierung als Agitationsverein gilt es herauszuarbeiten, daß die DKG – im Gegensatz zu den Parteien – keine allgemeinpolitischen Alternativen entwickelte und auch keine staatliche Verantwortung trug. Ihrem Wesen nach war sie eine Interessensgruppe, die spezifische Ziele verfolge und Bewußtseinshaltungen mobilisierte. Andererseits enthielten die Inhalte der Agitation eine allgemeine gesellschaftliche Stoßrichtung und implizit weltanschauliche Elemente Somit stellte sie neben ihrer Sozialstruktur auch auf inhaltlicher Ebene ein Novum dar, was möglicherweise als charakteristischer Wesenszug imperialistischer Agitationsvereine gelten kann.“

Der „Allgemeine Deutsche Verband“ wurde 1891 zur Förderung nationaler Interessen gegründet. Er war kein Kolonialverein im eigentlichen Sinne, vertrat aber auch koloniale Interessen und war als vielseitigster und entschiedenster nationaler Verein bis 1939 ebenfalls in Karlsruhe enorm aktiv. Deshalb sollte er in seiner Wirkung bezüglich kolonialpropagandistischer Themen in Karlsruhe nicht unterschätzt werden. Die enge Verbindung zum Kolonialismus zeigt sich unter anderem darin, dass auch Carl Peters bei der Gründung beteiligt und Ehrenmitglied des Präsidiums war (Kruck 1954:8).
1894 wurden im „Allgemeinen Deutschen Verband“ grundlegende Reformen durchgeführt, wonach er nur noch „Alldeutscher Verband“ hieß. Während der „Allgemeine Deutsche Verband“ noch hauptsächlich kolonialpolitische Interessen vertrat, rückten beim „Alldeutschen Verband“ völkische Interessen in den Vordergrund, sowie ein ausgesprochener Imperialismus und starker Nationalismus. (Kruck 1954:9).
Die Ziele bei Gründung des Verbandes lauteten (zitiert nach Kruck 1954:10): 

„1. Belebung des vaterländischen Bewußtseins in der Heimat und Bekämpfung aller der nationalen Entwicklung entgegengesetzten Richtungen
2. Pflege und Unterstützung deutsch-nationaler Bestrebungen in allen Ländern, wo Angehörige unseres Volkes um die Behauptung ihrer Eigenart zu kämpfen haben, und Zusammenfassung aller deutschen Elemente auf der Erde für diese Ziele
3. Förderung einer tatkräftigen deutschen Interessenspolitik in Europa und Übersee, insbesondere auch Fortführung der deutschen Kolonialbewegung zu praktischen Ergebnissen.“

Auch wurde 1903 der „Alldeutsche Wehrschatz“ gegründet, dessen Mitglieder sich verpflichteten, 0,5% ihres jährlichen Einkommens und mindestens 1% ihres Nachlasses zu spenden. Die Zinsen des Kapitals wurden verwendet, um „das Deutschtum an den Sprachgrenzen zu festigen“ und zur Besiedlung der Kolonien (Kruck 1954:15).

In Karlsruhe gab es diverse Versammlungen des Alldeutschen Verbandes, die durch ihre imperialistische Natur indirekt mit Kolonialfragen in Zusammenhang stehen. 1899 gab es beispielsweise eine „Flottenversammlung“ in der Festhalle, in der von den ca. 3000 anwesenden Personen eine Resolution zur Stärkung der deutschen Flotte beschlossen wurde, um die „Weltstellung des Reiches“ und die Flotte als „eine Bürgschaft des Friedens“ zu sichern (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1899:81). Da nicht bei jeder Veranstaltung ein direkter kolonialer Zusammenhang gezeigt werden kann, findet der „Alldeutsche Verband“ auf dieser Seite vergleichsweise wenig Beachtung.

Bis Ende 1936 erfolgte die ‚Gleichschaltung‘ sämtlicher Kolonialverbände und -einrichtungen, welche ab 1933 in den „Reichskolonialbund“ eingegliedert wurden. Dieser hatte 1941 immerhin 2,1 Millionen Mitglieder (Gründer 2017:171). Zum Vergleich: Mitte der 1920er Jahre waren es nominal ca. 80 000 Personen, die sich in Kolonialvereinen engagierten, die aber, da sie sich in mehreren Vereinen engagierten, vielmals doppelt gezählt wurden (Speitkamp 2016:39).
Durch den „Reichskolonialbund“ wurden ab 1936 die „Deutsche Kolonialgesellschaft“, der „Deutsche Kolonialkriegerbund“, das „Deutsche Rote Kreuz, Frauenverein für Deutsche über See“, der „Frauenbund der Deutschen Kolonial-Gesellschaft“, der „Kolonialkriegerdank“, das „Kolonialwirtschaftliche Komitee“ sowie der „Akademische Kolonialbund“ in einen Verband zusammengefasst und damit die einzelnen Verbände aufgelöst. Als Symbol wurde die „Petersflagge“ gewählt, die Flagge, die Carl Peters mit sich führte, als er Gebiete in Deutsch-Ostafrika für das Deutsche Reich „erwarb“, mit einem Hakenkreuz in der Mitte (Nachrodt 1939:17f.).
Als seine Aufgabe sah der Reichskolonialbund „den kolonialen Gedanken im deutschen Volk auf der Grundlage der nationalsozialistischen Weltanschauung zu erneuern und zu beleben. Bei dieser Aufgabe […] [ging] er von der Erkenntnis aus, daß Deutschland seiner Bevölkerungszahl, seinen Lebensbedürfnissen und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechende koloniale Betätigung nicht entbehren kann und Kolonien haben muß. Die Herausgabe des deutschen Kolonialbesitzes betrachtet[e] er als eine Frage der Ehre und des Rechts. Er […] [wollte] das Verständnis für die nationalsozialistische Kolonialpolitik zum Gemeingut des gesamten deutschen Volkes, besonders auch der Frauen und der deutschen Jugend, machen und für diese Bestrebung den geistigen Mittelpunkt bilden“ (Nachrodt 1939:18f.).
Um neue Mitglieder anzulocken, leistete der Reichskolonialbund massive Kolonialpropaganda: 45 sogenannte „Reichsverbandsredner“ sowie 400 „Gau- und Kreisverbandsredner“ wurden geschult, um sowohl rhetorisch als auch inhaltlich die Ziele des Reichskolonialbundes wortwörtlich „unters Volk“ zu bringen. Zudem wurden in großem Stil Plakate und Flugblätter zu Werbezwecken verteilt (vgl. Nachrodt 1939:32f.). Des weiteren wurden Kolonialausstellungen als Wanderausstellungen konzipiert, wie die „Große deutsche Kolonialausstellung“, die auch 1936 in Karlsruhe zu Gast war (vgl. Nachrodt 1939:34). Zudem wurden verschiedene Zeitschriften herausgegeben, ab 1933 monatlich die „Deutsche Kolonialzeitung“, ab 1938 die vierzehntägig erscheinende Bilderzeitung „Kolonie und Heimat“, die wohl vor allem für nichtakademische („volkstümliche“) Kreise gedacht war, die monatlich erscheinende Zeitschrift „Die Frau und die Kolonien“ sowie monatlich die Jugendzeitschrift „Jambo“ (vgl. Nachrodt 1939:38f.). Der Reichskolonialbund war propagandistisch also sehr breit aufgestellt und aktiv.
1939 startete Hitler seine Blitzfeldzüge in Afrika. Spätestens 1940, mit Beginn des Russlandfeldzuges, verschwand das Projekt eines deutschen Mittelafrikas aus Hitlers Plänen. Trotz aller Propaganda des Reichskolonialbundes wurden Kolonien letztendlich nie als Ersatz zum ‚Lebensraum im Osten‘ gesehen (Gründer 2017:172f.).

Wie wurde Wissen über die Kolonien und ihre Bewohner*innen vermittelt?

Zwischen 1870 und 1940 waren mehr als 300 Menschengruppen zu sehen. Die Form der Darstellung variierte dabei vom „Eingeborenendorf“, in dem Menschen in „ihrem natürlichen Umfeld“ gezeigt werden sollten bis hin zu szenischen Darbietungen, die eher an Theaterstücke erinnerten (Dreesbach 2005:11f.). „Natürliches Umfeld“ bedeutete, dass die Männer, Frauen und Kinder meistens mit landestypischen Tieren und Gegenständen „ausgestellt“ wurden und vermeintlich typische „Sitten und Gebräuche“ verrichteten – Musik, Tanz, Handwerk bis hin zu Schaukämpfen und Inszenierungen. Passenderweise fanden die Völkerschauen meistens auf Jahrmärkten oder in Zoos statt (Lewerenz 2006:65f.).

In Deutschland veranstaltete Carl Hagenbeck 1875 die erste Zurschaustellung (aus europäischer Sicht) „exotischer“ Menschen. Die Entstehung von Völkerschauen wurde begünstigt von wachsenden Städten, der Sonntagsruhe (dadurch hatte die Bevökerung mehr Freizeit), besseren Transportmöglichkeiten und der Reichseinheit, die das Reisen vereinfachte (Dreesbach 41ff.).

Der Erfolg von Völkerschauen lässt sich mit ihrem kommerziellen Hintergrund erklären: sie waren eine Gattung der Schaustellerei. Dabei waren drei Elemente wichtig: die Aktivierung vorhandener Klischeebilder, die Berücksichtigung der Lebenswelt des Publikums und Präsentation von etwas Neuem (Dreesbach 2005:13f.):

„ ‚Kolonialismus‘ oder ‚Nationalbewusstsein‘, ‚Primitive‘ und ‚Unzivilisierte‘ im Vergleich zur hochstehenden europäischen Zivilisation waren keine Konzepte, die ein Massenpublikum anziehen konnten. […] Und so setzten die Veranstalter auf Inhalte, mit welchen auch Karl May so überaus großen Erfolg hatte, auf Inhalte, die Abenteuerromane füllten und später auch den Film bestimmen sollten: Stolze Krieger und edle Wüstensöhne, verführerische Südseeschönheiten und geheimnisvolle ‚Bajaderen‘ bevölkerten die Bühnen der Zurschaustellungen und tummelten sich vor Bühnenbildern, die indische Tempel, arabische ‚Souks‘ und afrikanische ‚Krals‘ zeigten.“ 

Wie im Zitat angesprochen, wurden die Darsteller*innen auf die immer gleiche Weise stereotyp dargestellt. Diese waren der breiten Masse sehr geläufig und formten deren Vorstellung davon, wie die Menschen zu sein und auszusehen hatten. Der Erfolg von Völkerschauen lag besonders in der Bestätigung dieser Stereotypen:

„Denn durch die Zuordnung zu einer der Gruppen eröffnete sich ein gewisses Set an Klischees, das zusammen mit bestimmten Eigenheiten der einzelnen Völker den Rahmen absteckte, in welchem sich die Inszenierung der ausgestellten Völker bewegte. So waren die Zuschauer nicht mit Unbekanntem überfordert, sondern fanden sich sofort zurecht, indem sie das Gesehene mit den bereits vorhandenen Kategorien abglichen, sich in ihren Erwartungen bestätigt sahen und kleine Abweichungen von diesem Bild zur Kenntnis nehmen und verarbeiten konnten“ (Dreesbach 2005:148).

Die Gruppen waren bekannt und ließen sich in sieben dargestellte „Völker“ unterteilen: „Urmenschen“ [=„Patagonier“, „Feuermenschen“, „Hottentotten“ und „australische Ureinwohner“], „Afrikaner“, „Araber“, „Menschen aus dem hohen Norden“, „Inder“ und „Singhalesen“, „Indianer“ und „Südseeinsulaner“ (Dreesbach 2005:146). Auch in Karlsruhe traten sämtliche Gruppen auf, nur bei Menschen, die aus Südseegebieten kamen sowie nordeuropäischen Völkern ließen sich bisher keine Nachweise für eine Zurschaustellung in Karlsruhe finden.

Die Auftretenden wurden bei den Völkerschauen als biologisch und kulturell „rückständig“ wahrgenommen und vermarktet, während Europäer*innen sie bis ins kleinste Detail bei ihren „Alltagsverrichtungen“ beobachten konnten. Europäer*innen waren also die fortschrittlichen, wissenschaftlich interessierten, rationalen Beobachter*innen, die Subjekte, während die zur Schau gestellten die Objekte waren (Lewerenz 2006:69f.).

Einer der erfolgreichsten Völkerschaubetreiber war Carl Hagenbeck. Die Firma Hagenbeck veranstaltete von 1874 bis 1931 Völkerausstellungen mit einer kurzen Unterbrechung in den ersten Nachkriegsjahren. Als Carl Hagenbeck 1913 starb, übernahmen seine Söhne Heinrich und Lorenz Hagenbeck das Geschäft. Was Hagenbeck besonders erfolgreich machte, war die „Authentizität“ der zur Schau Gestellten; er stellte nicht einfach nur „Wilde“ aus, da dies allein Ende des 19. Jh kein Publikum mehr lockte, sondern bettete sie in einen Kontext ein (Dreesbach 2005:45-49): ein Paradox angesichts dessen, dass gerade „exotische“, fremde Sitten und Bräuche vorgeführt werden sollten. Auch sollten Frauen und Kinder anwesend sein, um ein „authentisches Familienleben“ zu zeigen (Lewerenz 2006:68). Von 400 Völkerausstellungen zwischen 1875 und 1930 veranstaltete die Firma Hagenbeck mindestens 100. „Führt man sich vor Augen, dass diese Gruppen an jeweils zehn bis zwanzig Gastspielorten auftraten, kann man sich ein ungefähres Bild davon machen, wie viele Völkerausstellungen es in Deutschland gab“ (Dreesbach 2005:79f.).
Während des Ersten Weltkrieges und kurz danach fanden keine Völkerschauen statt, da die anderen europäischen Kolonialmächte Genehmigungen für die Anwerbung von Kolonisierten für Völkerschauen nicht mehr erteilten. In den 1920er Jahren nahm die Popularität von Völkerschauen generell ab. Dies lag vor Allem auch am Film, der als neues Massenunterhaltungsinstrument diente. Nach dem ersten Weltkrieg wurden auch keine Personen aus dem Ausland mehr für Völkerschauen angeworben, sondern in Deutschland lebende Schwarze, die sonst kaum Arbeit fanden (Lewerenz 2006:78f.).

Viele der Schausteller*innen starben in Europa an Pocken und Lungenerkrankungen, Masern oder Tuberkulose, auch litten viele von ihnen an Magen-Darm-Erkrankungen. Des Weiteren war Heimweh ein großes Problem, da viele der Teilnehmenden oft mehrere Jahre in Europa verbrachten. Aber nicht nur Krankheiten schwächten die Gesundheit der Teilnehmenden, sondern auch die Arbeitsbedingungen: Die Arbeitszeiten betrugen oft 8-10 Stunden, auch kam es häufig zu Übergriffen von Seiten der Zuschauer*innen, die Umzäunungen einrissen, um den Schausteller*innen näher zu kommen. Nach Beendigung der Touren durften die Ausgestellten in der Regel heimkehren. Oft kamen die Teilnehmenden krank zurück und infizierten die Menschen in ihrer Heimat mit europäischen Krankheiten (Dreesbach 2005:74-77). Trotzdem kann man bei Völkerschauen nicht von einer rein dichotomen Täter-Opfer-Logik sprechen: viele der Teilnehmenden nutzten die Schauen für ihre Interessen, wie beispielsweise Neyo Bruce, der 1899 in Karlsruhe mit seiner „Dahomey-Togo-Karawane“ auftrat und so seinen Kindern eine Ausbildung ermöglichen wollte (Lewerenz 2006:76). Viele der Ausgestellten nahmen nicht zwingend die ihnen zugewiesene Rolle ein und vertraten ihre eigenen Interessen (Lewerenz 2006:77), nutzen also die Handlungsspielräume, die ihnen zur Verfügung standen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden Völkerschauen aus Europa. Viele der Stereotype bleiben bis heute bestehen und finden ihre Wiederholung in neuen Medien wie dem Film.

Wissenschaft und Forschung spielten eine bedeutende Rolle in der Produktion rassistischer Stereotype und bei der Rechtfertigung für sowie Durchführung von Kolonisation.
In Karlsruhe war, wie in anderen Städten auch, die Professorenschaft ein wichtiger Teil der Kolonialbewegung (vgl. Hoepke et al. 2007:88). Die Professoren versuchten, über die Universität junge Menschen für die koloniale Sache zu begeistern (vgl. Stadtchronik Karlsruhe 1911:126). Koloniale Themen wurden in wissenschaftlichen Kongressen wie der Tagung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft (1885) oder des Deutschen Geographentags (1887) immer wieder aufgegriffen.
Eine besondere Rolle nahm Wissenschaft und Forschung auch im Zusammenhang mit Völkerschauen ein: um die Glaubwürdigkeit nochmals zu intensivieren, arbeitete Hagenbeck beispielsweise intensiv mit Wissenschaftlern zusammen, denen er die Menschen oftmals als anthropologische Untersuchungsobjekte überließ (Dreesbach 2005:49). Während der Schauen fanden immer wieder „Forschungen“ wie Körpervermessungen oder die Inspektion von Objekten statt (Lewerenz 2006:67). Auch Dreesbach (2005:149) betont die Wichtigkeit dieser „Authentizität“:

„Hand in Hand mit der Bestätigung der Stereotypen ging die Betonung der Authentizität der gezeigten Gruppen. Denn das Publikum wollte glauben, dass das, was es in den Schaustellungen zu sehen bekam, ‚echt‘ war. Und echt war das Dargebotene, weil es dem eigenen Vorurteil entsprach und weil die Veranstalter betonten, dass alles ‚authentisch‘ sei. Nur authentische Gruppen garantierten einen Zuwachs an Bildung und auch Wissenschaftler waren nur an authentischem ‚Material‘ interessiert, und so konnte Authetizität das Interesse der Wissenschaft an den Schauobjekten gewährleisten, das die Veranstalter geschickt für ihre Zwecke zu nutzen verstanden. In einer Zeit, in der sich die Wissenschaft einer hohen Reputation erfreute und in der es zumindest in gebildeten Kreisen zum guten Ton gehörte, sich mit Wissenschaft zu beschäftigen, konnte die Verbindung zu wissenschaftlichen Kreisen als Werbemagnet dienen. […] Dem Interesse an fernen Welten und fremden Völkern, dem Interesse aber auch an der Vor- und Frühgeschichte, an Urzeitmenschen und ‚unzivilisierten‘ Völkern entsprachen Museen, Zeitschriften, populärwissenschaftliche Werke oder Romane – und Völkerausstellungen.“

Aber nicht nur Völkerschauen sollten einen wissenschaftlichen Charakter bekommen, sondern auch Kolonialausstellungen ganz allgemein: So war eine „wissenschaftliche Abteilung“ beispielsweise ein Teil der Deutsch-Kolonialen-Jagdausstellung in Karlsruhe 1903. Diese kolonialen Ausstellungen sollten einen Überblick über das Leben in den Kolonien geben, damit sich Menschen vor Ort über „ihre“ Gebiete weiterbilden konnten.

Koloniale Ausstellungen und Veranstaltungen in Karlsruhe

Blick in die Festhalle; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_XI_1466
„Drei Tage im Morgenlande“; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_XI_1816
19. Mai – 10. August 1903: Deutsch-Koloniale-Jagdausstellung Ausstellungsplan; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_XII_36
19. Mai – 10. August 1903: Deutsch-Koloniale-Jagdausstellung Blick in die Ausstellung; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_XII_231
19. Mai – 10. August 1903: Deutsch-Koloniale-Jagdausstellung Blick in die Ausstellung; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_XII_228
07. April 1905: Parodistische „Weltausstellung in Karlsruhe“ des Vereins bildender Künstler: Plakat zur Veranstaltung; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_X_6995
07. April 1905: Parodistische „Weltausstellung in Karlsruhe“ des Vereins bildender Künstler: Abbildung aus dem zur Ausstellung herausgegebenen Buch „Was ist die Kunst?“

Die aufgeführten Ereignisse werden an dieser Stelle nochmals, sofern sie einer Einbettung in einen Kontext bedürfen oder es noch mehr Informationen zu einem Ereignis gibt, ausführlicher beschrieben. Bei einigen Punkten mag es sinnvoll sein, für den Kontext nochmals im Hintergrundwissen zu stöbern – beispielsweise wurde bei völkerschauartigen Ereignissen wie „Vorstellungen einer Matabelen-Karawane“ darauf verzichtet, prinzipiell auf Völkerschauen einzugehen. Hierzu findet sich schon ein längerer Artikel an anderer Stelle auf der Website. Stattdessen wurden teilweise Aspekte aufgegriffen, die spezifisch für die genannte Schau waren.

Die meisten der genannten Ereignisse sind aus den Berichten der Stadtchroniken entnommen, die zwischen 1885 und 1920 herausgegeben wurden. Einige wenige konnten durch zufälliges Stöbern im Archiv entdeckt werden. Dies ist also zum Großteil eine Sammlung derjenigen kolonialen Ereignisse, die es in den Augen der Chronisten wert waren genannt zu werden – also schon eine Vorauswahl aus der Zeit selbst.

Die Suche nach Hinweisen auf kolonialrevisionistische Aktivitäten nach 1920 gestaltete sich wesentlich schwieriger. Einige große Ereignisse konnten durch Zeitungsartikel gefunden werden oder durch Nennung in Fachliteratur – die Listung hier wird aber mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht vollständig sein.

Auch wenn es nicht in jedem Jahr, in denen die Stadtchronik herausgegeben wurde, eine größere Versammlung oder Ausstellung gab, die das Thema Kolonialismus aufgriffen (oder die Chronisten es nicht wert fanden, diese zu erwähnen), haben die Diskurse weiterhin stattgefunden. 

209 Personen nahmen teil, davon kamen100 aus Karlsruhe (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1885:70f.).
Die Anthropologie erfuhr ab 1860 einen Aufschwung, der zu ihrem eigentlichen Beginn als Wissenschaft wurde. Dies geschah etwa zeitgleich mit Beginn der modernen, eigentlichen Kolonisation (Leclec 1973:16f.). Die Anthropologie war, wie andere Wissenschaften zu der Zeit auch, von einer evolutionistischen Ideologie geprägt, nämlich, dass sich Menschen in verschiedene Zivilisationsstufen einteilen ließen. Diese im Feld zu erforschen wurde zur neuen Aufgabe der Anthropologie. Leclec (1973:24) schreibt weiterhin: „Wie die ‚wissenschaftliche‘ Kolonisation ist auch die Anthropologie eine neue Praxis; sie wird nur im Rahmen der ‚wissenschaftlichen Kolonisation‘ sinnvoll. Ihr Gegenstand ist entweder die Beschreibung der Lebensbedingungen der Eingeborenen vor der Kolonisation (sie müssen beschrieben werden, ehe man sie zerstört) oder die Beschreibung der durch die Kolonisation allererst geschaffenen Lebensbedingungen […].“ Die Kolonisation bildete dabei die äußere Bedingung, die die anthropologische Forschung ermöglichte und die nicht in Frage gestellt wurde. Die Überlegenheit der europäischen Mächte wurde so wissenschaftlich begründet (Leclec 1973:25).

Am 30. April 1886 tagte in Karlsruhe die Generalversammlung des deutschen Kolonialvereins im Museumssaal (welches Museum ist leider unbekannt). Der Verein war, 1882 gegründet (Bendikat 1984:58), zum Zeitpunkt noch recht jung, weshalb sich erklären lässt, dass die Tagung in Karlsruhe erst die dritte dieser Art war.  Umso erstaunlicher ist es zum einen, dass diese gerade in Karlsruhe und nicht etwa in großen oder für die Kolonisation wichtigen Städten wie Hamburg oder Bremen stattfand und zum anderen, dass immerhin 400 Personen zur Generalversammlung erschienen (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1886:56). Die Generalversammlungen des deutschen Kolonialvereines dienten formal dazu, Resolutionen zu erlassen und verbindliche Beschlüsse zu fassen. Außerdem wurden dort sowohl der Vorstand als auch der Präsident gewählt. Diese Sitzung fand ein Mal jährlich statt (Bendikat 1984:61). Auch wenn es schon zuvor diverse Vereine gegeben hatte, die sich für koloniale Interessen eingesetzt hatten, war der deutsche Kolonialverein der bis dahin größte und wichtigste (vgl. Bendikat 1984). Dass die Generalversammlung in Karlsruhe als wichtig wahrgenommen wurde, lässt sich auch daran erkennen, dass der Versammlung in der Stadtchronik immerhin eine halbe Seite gewidmet wurde unter dem Punkt „Versammlungen, Festlichkeiten, Ausstellungen, Sehenswürdigkeiten“ – ein Punkt, der für das gesamte Jahr 1886 überhaupt nur sechs Seiten umfasst. Insgesamt erschienen 400 Teilnehmende, darunter der Fürst Hohenlohe-Langenburg, der Präsident des Vereins. Die Verhandlungen betrafen die Gesetzgebung bezüglich der deutschen Schutzgebiete und die Entwicklung des Gesellschaftsrechts zur Förderung deutscher überseeischer Unternehmungen, Branntwein- und Waffenhandel in den deutschen Schutzgebieten. Anschließend wurde von der Stadt ein Bankett veranstaltet (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1886:56) – wiederum ein Zeichen für Wertschätzung, die dem Verein auch von offizieller Seite entgegengebracht wurde.
Auch Friedrich Fabri war wohl auf der Versammlung 1886 anwesend und diskutierte die Frage des afrikanischen Sklavenhandels im Zuge der Antisklavereisiskussion (Bendikat 1984:118).

Zur Tagung des Deutschen Geographentags fand auch eine geographische Ausstellung statt. Einen Teil der Ausstellung bildete eine ethnographische und pflanzengeographische Abteilung, in der „Produkte und Kulturerzeugnisse der deutschen Kolonien vorgeführt wurden.“ Besonders eingegangen wird in der Stadtchronik auf die Größe der Ausstellung: „Die Reichhaltigkeit gerade dieser Abteilung übertraf nach dem Urteil von Fachmännern alle ähnlichen bisher veranstalteten Sammlungen“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq 1 Chronik 1887:71f.).

Die vierköpfige Familie zeltete im Stadtgarten (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq 1 1887:85).

Eduard Schnitzer, geboren 1840 in Schlesien, war studierter Mediziner, der zunächst in der Türkei eine Anstellung als Arzt suchte. 1876 trat er als „Emin Effendi“ in ägyptische Dienste und stellte sich dem Generalgouverneur des Sudan zur Verfügung. Von dort unternahm er einige Expeditionen in verschiedene Teile Afrikas. (vgl. Schweinfurth & Ratzel 1888). Durch den Mahdi-Aufstand im ägyptischen Sudan gegen die ägyptische Fremdherrschaft war „Emin Pascha“ zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten. Um ihn zu suchen, wurden im ganzen Land Spendengelder für die Unternehmung gesammelt, und u.a. Carl Peters gesandt. Bei der Expedition ging es nicht nur darum, Emin Pascha zu retten, sondern auch um die Ausdehnung der deutsch-ostafrikanischen Interessensphäre bis zum Oberen Nil samt Annexion der Gebiete nördlich des Viktoriasees und des ugandischen Hochplateaus (vgl. Peters 1907).

Emin Pascha wurde schon zu Lebzeiten als Abenteurer bewundert, was die mannigfaltige Literatur im Abenteuerromanstil um seine Person beweist. Schon vor und vor allem nach 1888 trugen Erzählungen rund um Emin Pascha Titel wie Dr. Emin Pascha, ein Vorkämpfer der Kultur im Innern Afrikas“ (1885 von Paul Reichard), „Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika“ (1894 von Franz Stuhlmann) oder auch „Die Wahrheit über Emin Pascha, die ägyptische Aequatorialprovinz und den Sudan“ (1893 von Vita Hassan und Elie M. Baruck). Ein kleiner Blick in den Bestand der Badischen Landesbibliothek reicht, um erkennen zu können, wie viel Aufmerksamkeit das Emin-Pascha Unternehmen hervorrief. Auch die stark romantisierten Beschreibungen Paschas helfen zu erklären, warum die Expedition zu seiner Rettung von solch großem Interesse war:

„Einem allein war es aber beschieden, die ausgestreute Saat der Gesittung zu hüten und die Keime der Cultur in ihrer ersten Entwickelung sicherzustellen. Dieser Eine ist Emin, der standhafte Befehlshaber in der einst ägyptischen Aequatorialprovinz. Nahe dem innersten Centralkern von Afrika regiert Emin nun nach schweren Anfechtungen von innern und äußern Feinden sein Volk in Frieden, der Hülfe gewärtig, die ihm das gesittete Europa in der Person Stanley’s bringen soll. Aller Augen sind dahin gerichtet, wo die Zivilisation ihr wichtiges Vorwerk in Afrika zu verteidigen hat, und jedermann fragt sich: wird es gelingen, das Gewonnene zu erhalten […]? […] Emin gehört uns ganz an, ein Deutscher, ein Preuße!“ (Schweinfurth & Ratzel 1888: v f.).

Obwohl Emin Pascha ab 1890 im deutschen Reichsdienst bei seinen Expeditionen sehr brutal gegen die autochtone Bevölkerung vorging, um diese zu unterwerfen und somit einen aktiven Teil in der deutschen Kolonialpolitik in Ostafrika spielte, wurde er als Held hochstilisiert, der „Kultur“ und „Zivilisation“ vertrete (Bendikat 1984:120).

Von daher wundert es nicht, dass selbst in die Stadtchronik von 1888 eine Art „Unterstützungsrallye“ für die Suche Paschas im selben Jahr benennt:

„Die allgemeine nationale Bewegung, welche in Deutschland die Teilnahme an dem ungewissen Schicksal unseres kühnen durch die Umwälzungen an der ostafrikanischen Küste schwer bedrängten Landsmannes Emin Pascha hervorrief, führte Ende September auch in Karlsruhe zur Konstituierung eines Ortsausschusses des Emin-Pascha-Unternehmens. Am 1. Oktober veranstaltete derselbe eine Versammlung im Eintrachtsaale, welche äußerst zahlreich besucht war. In derselben sprachen Ministerialpräsident K. Grimm, Professor P. Treutlein und erster Staatsanwalt E. Fieser, indem sie teils die hochdeutende Persönlichkeit jenes um die Verbreitung von Kultur und Zivilisation im Inneren des schwarzen Erdteils hochverdienten Mannes schilderten, teils Zweck und Ziele des geplanten Unternehmens darlegten und dadurch weitere Kreise für eine thatkräftige Unterstützung desselben gewannen“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1888:73f.).

Auch in Karlsruhe war also, so geschildert, das Interesse an der Rettung Paschas sehr groß. Dieses Beispiel zeigt besonders gut, wie auch Karlsruhe in gesamtdeutsche Diskurse eingebunden war und ist – Kolonialismus und die Debatten darum haben nicht nur „weit weg“ stattgefunden, sondern ganz konkret vor Ort.

Die Karawane gab in der Ausstellungshalle „ihre für die Kenntnis ihres Volkes lehrreichen Vorstellungen“. Mit dabei waren auch zahlreiche Tiere wie Zebras und Elefanten (Stadtarchiv Karlsruhe Chronik 1888:78). 
Eventuell handelte es sich um Hagenbecks „Singhalesenkarawane“, die ab 1886 auf Tour ging (vgl. Dreesbach 2005:52), ist aber nicht sicher belegbar.

Die Vorstellungen, in denen etwa 200 „Indianer“, Cowboys, Daqueros, Pfadfinder, Trapper, Scharfschützen und Reiter „farbenreiche Szenen aus dem Indianer- und Ansiedlerleben“ präsentierten, fanden auf der Wiese an der Durlacher Allee statt (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1891). Bei den Wild West Shows handelte es sich um eine Mischung aus sideshows und artistischer Darbietung (Dreesbach 2005:100). Sideshows waren zusätzliche Vorführungen des Zirkus‘ (eben nicht nur artistische Kunststücke) von „exotischen“ Menschen (Dreesbach 2005:99). Bei den Shows ging es darum zu zeigen, wie sich europäische Siedler gegen die Ureinwohner durchsetzten und die „Wildnis“ bezwangen – es war also eine Show, in der Weiße gegen „Indianer“ als ihre Feinde kämpften. Der berühmteste Veranstalter war „Buffalo Bill“, der mit bürgerlichem Namen William Frederick Cody hieß. 1889 gingen sie auf ihre erste Europatournee. Ab 1891 waren auch ca. 200 Sioux dabei, die nach dem Massaker von Wounded Knee (1890) von der amerikanischen Armee in Reservate konzentriert worden waren. Bei „Buffalo Bills Wild West“ Show sollten die Zuschauer*innen über das vermeintliche Leben in den westamerikanischen Plains aufgeklärt werden. Zudem konnten sie „Indianer“ bei ihrem „alltäglichen Leben“ in Wohnwagen oder Zelten beobachten (Dreesbach 2005:100f.).

 

Die 26 Personen waren auf der Durchreise nach St. Petersburg. Die Vorstellungen ihrer „heimatlichen Sitten und Gebräuche“ fanden im Reichshallentheater statt (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1894).

In der Festrede betonte Dr. Nokk die imperialistischen Ansprüche, die das Deutsche Reich seiner Meinung nach stellen könne. Sie spiegelt wieder, wie viele Kolonialbefürworter*innen empfanden: ein starkes Nationalbewusstsein, mit dem eine zivilisatorische Mission einherging, sowie das Recht auf einen „Platz an der Sonne“, wie ihn ursprünglich auch der Reichstagsabgeordnete Bernhard von Bülow forderte:

„[…] Der Deutsche hatte das unschätzbare Bewußtsein wiedererlangt, das Glied eines großen Volkes zu sein. Wo auf Erden er sein Wesen und seine Kraft entfaltete, fühlte er über sich seines Vaterlandes schützende Hand. Die Welt sah deutsche Arbeit wachsen und gedeihen und unser Kaufmann […], er umspannt wieder die Erde mit seinem Schaffen und Wagen.

Über all diesem Werdenden wacht in treuer Sorge der Kaiser. Das deutsche Reich ist ein Reich des Rechts und des Friedens. Aber Deutschland will all‘ seinen Kindern ein menschenwürdiges Dasein sichern und braucht freie Bahn. Wir dürfen diesen ‚Platz an der Sonne‘ auch fordern, denn wo immer wir auftreten, soll die Kultur ihren Einzug erhalten und milde Sitte des Vaterlandes. Wir wollen mit den Völkern der Erde Güter tauschen und die Schätze des Geistes, die wir heilig behütet haben, auch in den trüben Tagen. Das in Freiheit geeinte deutsche Volk wird seiner großen Aufgabe, ein Rüstzeug der Zivilisation zu sein, gerecht werden, es wird alle Müdigkeit abschütteln und sich des Wortes von Fischart erinnern: ‚Unverdrossen und allgemach werden verricht‘ die schwersten Sach.‘ […]“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1898:63f.).

Neyo Bruce gastierte 1899 mit seiner „Dahomey-Togo-Karawane“ im Stadtgartentheater in Karlsruhe (Brändle 2007:204). Bruce war und ist ein bekanntes Beispiel dafür, wie sich zur Schau gestellte Menschen das Schaugewerbe selbst aneigneten. Er organisierte vermutlich 1896 zum ersten Mal eine Schautruppe für die Berliner Gewerbeausstellung und reiste anschließend über zwanzig Jahre als selbstständiger Völkerschauunternehmer mit seiner Familie durch Europa. So versuchte Bruce seinen Kindern eine Ausbildung in Europa zu ermöglichen (Lewerenz 2006:76).

Der Sammlung kamen „namhafte Schenkungen“ zugute, besonders auch aus den deutschen Kolonialgebieten (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1900:93f.).

Die vier Vorstellungen des amerikanischen Unternehmens fanden auf dem Messplatz statt. Zuvor wurde das Unternehmen über Wochen beworben, weshalb es eine hohe Aufmerksamkeit genoss. Dabei zu sehen waren unter anderem „menschliche Abnormitäten jeder Art“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1900:95). Ein (weiterer) Hinweis darauf, dass es auch zur Ausstellung von Menschen kam, findet sich nicht in den Chroniken. Dreesbach (2005:100) schreibt jedoch, dass Barnum & Baileys mit zwei sideshows reiste. Sideshows waren zusätzliche Vorführungen des Zirkus‘ (eben nicht nur artistische Kunststücke) von „exotischen“ Menschen (Dreesbach 2005:99). Von daher ist davon auszugehen, dass es auch in Karlsruhe solche Vorführungen bei Barnum & Baileys gab.

Die Truppen werden unter jubelnder Menge und Militärmusik mit dem kommandierenden General von Bülow verabschiedet (Stadtarchiv Karlsruhe Chronik 1900:113) – Diese Truppen wurden also von jubelnden Karlsruher*innen zur Niederschlagung des gegen den Imperialismus gerichteten Aufstandes in China entsandt.

Vom 10.-12. März veranstaltete die Karlsruher Künstlerschaft in den Räumen der Festhalle ein Fest, das „drei Tage im Morgenland“ darstellen sollte. Dort wurde alles ausgestellt, was für die Besucherschaft exotisch“ und „orientalisierend“ war – von einer Pantomimenvorstellung über „König Ramses und der Maler“ über Sänger, Musiker und Kunsttänzer, bis hin zu Sehenswürdigkeiten wie „eine Beduinengruppe, die Königsgräber, der ägyptische Tempel, Mumienzauber, das Serail und Projektionsbilder aus dem Orient. Verkaufsläden befanden sich im Tempel der Kunst, wo Werke der Maler, und im ‚Weißen Ibis‘, wo die Festliteratur erstanden werden konnte. Außerdem gab es fliegenden Verkauf, Bettler, Sklaven u.s.w. […] Es war ein buntes farbenprächtiges Bild, wie es eben nur Künstler hervorzuzaubern verstehen.“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1901:63)

Am 16. Oktober veranstaltete Ortsgruppe Karlsruhe des Alldeutschen Verbandes einen sogenannten ‚Burenabend‘, für den verschiedene Burenkommandanten und ein deutscher Arzt aus Kapstadt als Redner gekommen waren. Anscheinend war der Andrang der Besucher „ein so gewaltiger, daß hunderte von Besuchern am Eingang der Festhalle wieder umkehren mußten, da die Polizei eine weitere Überfüllung des Saales nicht gestattete.“ Das Eintrittsgeld ging „zum Besten der verwundeten Buren und notleidenden Burenfamilien.“ (Stadtarchiv Karlsruhe Chronik 1901:61f.). Holländer und Buren wurden als „Niederdeutsche“ vom völkisch-nationalen „Alldeutschen Verband“ mit umsorgt (Kruck 1954:32).

In der Stadtkirche hielt unter anderem ein Pfarrer aus Kamerun einen Missionsvortrag (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1902:85).

Die Deutsch-Koloniale-Jagdausstellung in Karlsruhe unterschied sich von anderen kolonialen Ausstellungen in der Hinsicht, dass es sich nicht um ein Gastieren einer schon vorhandenen Ausstellung oder Schau handelte, sondern um eine vollständig in Karlsruhe geplant und durchgeführte Veranstaltung. Ihre Bedeutung für die Stadt lässt sich darin erkennen, dass sich im Stadtarchiv Karlsruhe nicht nur zahlreiche Bilder der Ausstellung, ein Ausstellungskatalog sowie ein Abschlussbericht dieser finden lassen können, sondern dass ihr in der Stadtchronik von 1903 (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1903) ganze fünf Seiten gewidmet wurden inklusive einer Fotoseite. Bemerkenswert ist dies in einem Druck, der auf 150 Seiten die gesamten Vorgänge der Stadt (Vereinsleben, Industrie, Veranstaltungen, Schulen, und vieles mehr) beschreibt und vieles nur in einem Satz abhandelt. Insgesamt beinhaltet die Chronik (inklusive der Abbildung der Jagdausstellung) nur sieben Abbildungen. Dadurch wird die Wichtigkeit und Prominenz der Ausstellung verdeutlicht. Selbst Kaiser Wilhelm sollte ursprünglich die Ausstellung am 11. Mai, also kurz vor Eröffnung besuchen – ein Umstand, der dazu führte, die Ausstellung früher fertig zu stellen als gedacht. Am 11. Mai war „das Gebäude […] festlich geschmückt und das Komite [sic!] stand zum Empfang bereit“ – letztendlich kam der Kaiser aufgrund der Kürze seines Besuchs in Karlsruhe doch nicht (Stadtarchiv Karlsruhe 10/A D 904 Schlussbericht über die Deutsch-Koloniale Jagdausstellung zu Karlsruhe 1903:5). Trotzdem zeigt diese Anekdote den Bekanntheitsgrad, den die Ausstellung genoss. 

Die Ausstellung wurde im Jahr 1902 mit dem Gedanken, sie anlässlich der Hauptversammlung der Deutschen Kolonialgesellschaft, die 1903 in Karlsruhe stattfand, zu veranstalten. Theodor Rehbock hatte als Vorsitzender des Karlsruher Ablegers den Vorsitz und hielt auch die Eröffnungsrede. Umgesetzt werden konnte die Ausstellung nur dank der Unterstützung der badischen Herrscherfamilie, nämlich der Übernahme des Protektorates durch den Großherzog von Baden und dem Ehrenpräsidium durch den Erbgroßherzog Friedrich von Baden sowie der Unterstützung Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg, der Vorsitzender der Deutschen Kolonialgesellschaft war (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1903:100f.). Untergebracht war die Ausstellung im sogenannten „Ratzel’schen Bau“ auf dem Messplatz. Er war ursprünglich für die Jubiläumskunstausstellung erbaut worden und sollte wieder abgerissen werden. Dank der Bemühungen der DKG Karlsruhe blieb er ein weiteres Jahr zur Unterbringung der Deutsch-Kolonialen-Jagdausstellung erhalten. Als Ausstellungsstücke wurden im vornherein Jagdtrophäen aus den Kolonien, Jagdwaffen der „Eingeborenen“ und Jagdausrüstung für die Kolonien angedacht (Stadtarchiv Karlsruhe 10/A D 904 Schlussbericht über die Deutsch-Koloniale Jagdausstellung zu Karlsruhe 1903:4). Laut Rehbock sollte in der Ausstellung der „deutschnationale Charakter“ streng gewahrt werden; das heißt, es sollten nur Sammlungen und Jagdtrophäen aus deutschen Kolonien stammen, allenfalls wurden einige Sammlungen aus den benachbarten Gebieten Deutsch-Ostafrikas mitaufgenommen (Rehbock 1903:10). 

Beschrieben wird der Inhalt in der Stadtchronik 1903 (101) folgendermaßen: „Die Ausstellung bot einen großen einheitlichen Ueberblick über die Kulturzustände der Eingeborenen der deutschen Kolonien, wobei die auf die Jagd bezüglichen Gegenstände, entsprechend der Bedeutung, die der Jagd im gesamten Wirtschaftsleben unseren bisher fast ausschließlich von Jägervölkern bewohnten überseeischen Besitzungen zukommt, den meisten Raum einnahm.“ Auch im Ausstellungskatalog (Deutsche Kolonialgesellschaft, Abteilung Karlsruhe 1903:37) wird als Ziel beschrieben, dass der Besucher bei Betreten der Ausstellung „sofort ein Bild der Kulturverhältnisse der Eingeborenen erhalten“ soll. Deshalb gab es zu Beginn eine ethnographische Ausstellung mit großflächigen Fotos, danach eine Gemäldeausstellung und eine „wissenschaftliche Abteilung“. Im Ausstellungskatalog findet sich eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Stücke in den jeweiligen Räumen der Ausstellung, die Räume waren nach den einzelnen Kolonien getrennt. Interessant zu nennen ist, dass die jeweiligen geographischen Notizen immer Baden als Bezugspunkt nahmen, um den Besuchern die Größe der einzelnen Kolonien zu verdeutlichen und so eine Brücke zu deren Lebensrealität zu bauen; beispielsweise sei Kamerun 36 Mal so groß wie das Großherzogtum Baden oder Deutsch-Südwestafrika 55 Mal so groß (vgl. Deutsche Kolonialgesellschaft, Abteilung Karlsruhe 1903:32). Die „Eingeborenen“ wurden insgesamt im rassistischen Sprachduktus der Zeit beschrieben. So wurde zum Beispiel die Bevölkerung Deutsch-Südwestafrikas folgendermaßen beschrieben (Deutsche Kolonialgesellschaft, Abteilung Karlsruhe 1903:32): „In der nördlichen Hälfte die Ovambo und Herero (beides Bantuneger), dazu die Buschmänner; in der südlichen Hälfte die Nama (Hottentotten von gelblicher Farbe). Über das ganze Land zerstreut die Bergdamara und die Bastards (Mischlinge von Europäern und Hottentotten). Die weisse Bevölkerung beträgt ca. 4000 Personen.“

Als Sonderausstellung wurden die Sammlungen von Wißmann und der Firma Karl Hagenbeck aus Hamburg gezeigt, die vornehmlich Jagdtrophäen enthielten. Eine weitere Sonderausstellung enthielt die Sammlung des Malers Wilhelm Kuhnert aus Berlin. Insgesamt besuchten 44 751 Personen die Ausstellung (vgl. Deutsche Kolonialgesellschaft, Abteilung Karlsruhe 1903). Rentabel war die Ausstellung letztendlich nur Dank einer Ausstellungslotterie, die in zwölf Bundesstaaten genehmigt wurde und deren Ziehung am 07. Oktober 1903 stattfand. Dadurch konnte ein Reinüberschuss von 3003,33 Mark erzielt werden. Der größte Teil des Geldes kam der DKG Karlsruhe zugute, die damit ihre Kosten der Hauptversammlung der (deutschlandweiten) DKG deckte. Die weiteren Gewinne gingen unter anderem an die „Sammelstelle der Deutschen Kolonialgesellschaft für die durch den Aufstand der Herero geschädigten Ansiedler“ (Stadtarchiv Karlsruhe 10/A D 904 Schlussbericht über die Deutsch-Koloniale Jagdausstellung zu Karlsruhe 1903:7f.). Im Schlussbericht der Ausstellung lässt Theodor Rehbock noch einmal Revue passieren über den Erfolg der Ausstellung und kommt zu dem Schluss, dass – auch wenn sich dieser nicht in Zahlen messen ließe – es immerhin ein Anwachsen der Mitgliedschaft in der DKG gegeben hätte und dass er „nach wie vor koloniale Ausstellungen für das wirksamste Mittel der kolonialen Propaganda“ hält, weil darüber ein Großteil der Bevölkerung, allen voran die Jugend, erreicht werden könne (Stadtarchiv Karlsruhe 10/A D 904 Schlussbericht über die Deutsch-Koloniale Jagdausstellung 1903:8f.).

Anfang Juni 1903 fand die Hauptversammlung der DKG in der Festhalle in Karlsruhe, statt, zu deren Anlass die Deutsch-Koloniale-Jagdausstellung stattfand. Es nahmen etwa 300 Personen an der dreitägigen Versammlung teil, darunter auch der Vorsitzende der DKG, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg. Die Wichtigkeit der Versammlung stellte sich auch dadurch dar, dass die Vorstandsmitglieder sowie einige Vertreter der Abteilung vom Großherzog von Baden empfangen wurden. Am 05. Juni fand die Hauptversammlung selbst statt, zu der etwa 400 Personen erschienen (StadtKA 4/Dq1 Chronik 1903:78ff.).

 

Durch das Fest sollte ein Fonds zur Erbauung eines Künstlerhauses eingerichtet werden. Die Ausstellungsstraße wurde von einigen „Etablissements“ gesäumt, darunter auch einem „Negerkolonialort“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1905:116). Auch wenn das Fest parodistisch angedacht war, kamen doch die gleichen Stereotypen zum tragen.

Insgesamt 75 Personen gaben Vorstellungen auf dem Messplatz (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1905:139).

Die Hauptaufgabe des Vereins bestand „in der geordneten Krankenpflege für die Kolonien in Friedenszeiten“. In Kriegsfällen stellte er sich dem Zentralkomitee des Roten Kreuzes zur Verfügung (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1908:169).

„Die Begrüßungsrede hielt Verwaltungsassistent Evert. Generalmajor Dürr zog in seiner Rede eine Parallele der letzten Kolonialkämpfe mit dem Kriege von 1870/71. Oberleutnant Heusch schloß seine Ansprache mit einem Hoch auf den Großherzog. Mitglieder des Vereins führten das Schauspiel: ‚Deutsche Treue in Afrika‘ von Liliencron auf. Lebende Bilder, die Szene [sic!] aus dem Hereroaufstand zeigten, und Gesangsvorträge folgten“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq Chronik 1909:101).

Diese enthielt „Darstellungen des Lebens und Treibens der Eingeborenen aus den vier Ländern, in denen die Basler Mission arbeitet[e] (Goldküste, Kamerun, Indien und China)“ und wurde laut Stadtchronik desselben Jahres (S.175) von ca. 25 000 Personen besucht.

Etwa 100 Personen wohnten auf dem Messplatz (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1910:182). Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um „Gustav Hagenbeck’s größte indische Völkerschau“ handelte, wie sie bei Dreesbach (2005:96) für das Jahr 1911 auf dem Bremer Freimarkt beschrieben wird. Außer den rund 100 Männern, Frauen und Kindern waren wohl auch Elefanten, Bären, Affen und Schlangen zu sehen. Eine Nachbildung von Madras bildete das Zentrum der Schau. Weiterhin wird beschrieben, dass die „Truppe […] ‚staunenerregende Productionen aus dem indischen Wunderlande‘ und ihr ‚Leben und Treiben‘ vor[führte], Handwerker zeigten Töpfern, Kunststicken, Ebenholzschnitzen sowie Gold- und Silberarbeiten. In den Bazaren konnten Kauflustige verschiedene Waren erwerben und wer den Mut besaß, konnte auf den Elefanten reiten“ (Dreesbach 2005:96).

Der Vorsitzende, Professor Dr. von Oechelhäuser, berichtete in der Generalversammlung über die Entwicklung und Tätigkeiten der Gesellschaft.  Er erwähnte auch den Erfolg einiger Vorträge von Freiburger Professoren in der Technischen Hochschule für Mitglieder und eingeladene Studenten und Schüler.  Dies ist der einzige Hinweis in den Stadtchroniken, dass die DKG zu propagandistischen Zwecken und Rekrutierung von neuen Mitgliedern auch in der Hochschule in Karlsruhe aktiv war. Zudem wird beschlossen, einen Mannheimer Professor bei der Sammlung von Geldern für eine Forschungsreise nach Kamerun gegenüber der Generalversammlung in Stuttgart zu unterstützen (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1911:126).

Die Abteilung Karlsruhe der Deutschen Kolonialgesellschaft hielt am 10. Mai ihre Generalversammlung ab, Der Vorsitzende Geh. Hofrat Prof. Dr. von Oechelhäuser erstattete den Jahresbericht, mußte dabei eine nicht unerhebliche Abnahme der Mitgliederzahl feststellen. Es soll in eine neue Werbetätigkeit eingetreten werden. Der Kassenbericht gab einen günstigen Abschluß, so daß aus dem Überschuß der Kolonialschule in Witzenhausen ein Beitrag von 50 Mk. überwiesen werden konnte. An den geschäftlichen Teil schloß sich ein Vortrag von Professor von Oechelhäuser über die wirtschaftliche Nutzbarmachung der neuesten technischen Errungenschaften für unsere Kolonien.“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1912:97).

„Ein Afrikanerdorf war am 8. Januar im Rollschuhpalast (Garten-Straße) zu sehen. Die Bewohner waren Neger aus Senegambien, Männer, Weiber und Kinder, etwa 60 Personen. Das Dorf bot Interessantes und Charakteristisches aus Sitten und Gebräuchen der Senegalesen. Man sah eine Schule, Handwerker, Tänzer, Musikanten, Ringkämpfer, Krieger u.a. Auch die Tätigkeit der schwarzen Hausfrau war zu beobachten.“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1913:207).

Die Abteilung Karlsruhe der deutschen Kolonialgesellschaft feierte am 13. Februar ihr 25jähriges Stiftungsfest. Eine Festsitzung und ein Bankett fanden statt. Der Festsitzung wohnte der Großherzog an. Zu den Feierlichkeiten war der Präsident der Kolonialgesellschaft, Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin, Regent von Braunschweig, mit Gemahlin hier eingetroffen. Der erste Vorsitzende der Karlsruher Abteilung, Geh. Hofrat Professor Dr. Adolf von Oechelhaeuser, eröffnete die Festsitzung mit einer Ansprache zur Begrüßung der Anwesenden und einem kurzen Überblick über die Entwickelung der Abteilung. Er schloß mit einem Hoch auf den Kaiser und den Großherzog. Dann hielt Reichstagsabgeordneter Dr. Paasche einen Lichtbildervortrag über ‚Deutsche Kulturaufgaben im Osten‘ (Japan, China). Nach einer kurzen Pause, während der sich der Großherzog und die Großherzogin zu Mecklenburg verabschiedeten, begann das Bankett. Ministerialdirektor Dr. Karl Weingärtner dankte Geh. Rat Paasche für seinen Vortrag. Er sprach weiter über die Entfaltung des Kolonialgedankens im deutschen Volke und schloß mit einem Hoch auf Herzog Johann Albrecht. Dann ergriff der Herzog das Wort verbreitete sich über die bisherigen Leistungen und künftigen Aufgaben der Kolonialgesellschaft. Er ließ seine Ansprache in ein Hoch auf den Großherzog ausklingen. Im Verlaufe des Abends wurden dem Herzog zur Bereicherung seiner Sammlung ein kleines präpariertes Krokodil überreicht und den vier Mitgliedern, die seit Gründung der Abteilung dem Vorstand angehören, Baurat Williard, Major Kreßmann, Major Hoffmann und Buchhändler Gräff, Ehrendiplome. […] – Am 19. Mai berichtete Professor von Oechelhaeuser in der Generalversammlung über den Verlauf des Stiftungsfestes und über den Zuwachs, den die Abteilung erlangt hat. Sie zählt 278 Mitglieder. Oberbaurat Professor Theodor Rehbock hielt einen Lichtbildervortrag über ‚Talsperren in Deutschland und den Kolonien.‘“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1913:112f.)

Es wurden Spenden gesammelt und u.a. über die „Arbeit der Missionspioniere in Kamerun und Togo“ gesprochen (StadtKA 4/Dq1 Chronik 1913:173).

Missionare bildeten häufig die ‚geistige‘ Vorhut für Forschungsarbeiten und Expansionsbestrebungen. Leclerc (1973:15) schreibt, dass sie sich „[…] [z]war […] meist der engen Bande zwischen ‚Evangelisierung‘ und Kolonisation bewußt [waren]- doch ohne Schuldgefühle.“

„Am 19. Mai berichtete Professor von Oechelhaeuser in der Generalversammlung über den Verlauf des Stiftungsfestes und über den Zuwachs, den die Abteilung erlangt hat. Sie zählt 278 Mitglieder. Oberbaurat Professor Theodor Rehbock hielt einen Lichtbildervortrag über ‚Talsperren in Deutschland und den Kolonien‘“ (StadtKA 4/Dq1 Chronik 1913:112f.).

„Am 16. Dezember tagte hier der Badische Landesverband des deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien in Gegenwart der Großherzogin. Nach ausführlichen Darlegungen des Gouverneurs Ebermeier von Kamerun beschloß der Vorstand einstimmig, das Hilda-Genesungsheim des Landesverbandes auf dem in der Nähe von Buea am Kamerunberge gelegenen Botekehügel zu errichten. Eine Sammel-Arbeit ist noch nötig, wenn das Heim in der geplanten soliden Ausführung und guten Einrichtung erstellt werden soll. Für Karlsruhe nimmt Bankdirektor Robert Nicolai Anmeldungen zum Beitritt in die Abteilungen des Landesverbandes entgegen“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1913:178.).

Leider ließen sich bisher keine weiteren Informationen hierzu finden.

Leider ließen sich bisher keine weiteren Informationen hierzu finden.

Während des Ersten Weltkrieges und kurz danach fanden keine Völkerschauen statt, da die anderen europäischen Kolonialmächte Genehmigungen für die Anwerbung von Kolonisierten für Völkerschauen nicht mehr erteilten (Lewerenz 2006:78). Dies machte sich natürlich auch in Karlsruhe bemerkbar: es sind keine Ausstellungen und Schauen mehr in den Chroniken erwähnt. Auch um die DKG, Abteilung Karlsruhe blieb es ruhig: im ersten Weltkrieg gab es andere Prioritäten.

Um den Stadtgarten nach dem Krieg wiederzubeleben, erhielt das Städtische Gartenamt im April 1920 den Auftrag, ein „Programm für die Umgestaltung aufzustellen“, wofür das Amt einen externen Gutachter zurate zog. Dieser fand sich in Kurt Priemel, Leiter des Frankfurter Zoos, der unter anderem vorschlug, den Zoo für Veranstaltungen wie „Völkerschauen“ zu nutzen, um mehr Besucher anzuziehen.

Diese Idee griff der Stadtgartendirektor Friedrich Scherer auf und bemühte sich mehrmals von der Stadtverwaltung eine Genehmigung zu erhalten, um Völkerschauen im Hagenbeckschen Stil durchzuführen. In der Sitzung der Stadtgartenkommission am 29.04.1924 argumentierte er, dass die Schau „für den Stadtgarten eine grosse Anziehungskraft ausüben [sollte], nicht nur beim Karlsruher Publikum, sondern auch die nähere und weitere Umgebung dürfte hieran Interesse haben.“

Bei solchen Schauen konnte man den sogenannten „Primitiven“ bei vermeintlich „typischen“ Tätigkeiten zuschauen; die ausgestellten Menschen lebten einige Zeit in Hütten auf dem Ausstellungsgelände und Besucher konnten ihnen bei Handwerksarbeiten und „nationaltypischen“ Ritualen zuschauen, wie Tänzen, musikalischen und akrobatischen Darbietungen.

Zwischen 1924 und 1926 gab es mehrfach Diskussionen mit dem damaligen Oberbürgermeister Julius Finter, dem Stadtrat und der Stadtgartenverwaltung, ob solche Ausstellungen stattfinden sollten. Auch Hagenbeck und andere Veranstalter fragten regelmäßig an, die Gesuche wurden allerdings genauso regelmäßig abgelehnt.

Die Ablehnung geschah allerdings nicht aus moralischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen: zum einen, weil kurz zuvor ein Zirkus mit ähnlichen Darbietungen in Karlsruhe gewesen war und der Markt nach dieser Art der Völkerschau gesättigt sei, zum anderen weil die daraus folgende Preiserhöhung negativ bei den Abonnenten ankommen würde.

1926 gab die Stadt schließlich eine Genehmigung für die Ausstellung einer Ausstellungstruppe von Indern mit Elefanten und „dazugehörigen Tieren“. Diese fand allerdings nie statt, weil man sich weder über die Gestaltung, noch über die Eintrittspreise einigen konnte (Beil 2015:37-40).

Der Zirkus Sarrasani ist ein weiteres Beispiel für einen Zirkus, der in sogenannten „sideshows“ „exotische“ Menschen vorführte. Bei Dreesbach (2005:101) findet sich die Angabe, dass Sarrasani ab 1907, angeregt durch Buffalo Bill, „Indianer“ in sein Programm aufnahm. Aber nicht nur „Indianer“, auch andere Menschen wurden beim Besuch in Karlsruhe 1930 vorgeführt:

„Fünfhundert Menschen aus 41 verschiedenen Nationen finden sich als Artisten zusammen in Sarrasanis Manege“ schrieb das Karlsruher Tagblatt im Juni 1930. In einem weiteren Zitat wird deutlich, dass der Zirkus, wie Völkerschauen auch, besonders auf die Aktivierung von Klischeebildern und stereotypen Darstellungen setzte:

„Der Beschauer sitzt gebannt, versunken in den Anblick der wechselnden Bilder in der Manege, verzaubert. Die Erdteile, ihre Bewohner, ihre Trachten, ihre Tiere, ihre Eigenheiten ziehen vorüber. Sind das noch Zirkus-Nummern? Jede einzelne ist weit mehr: Länder stehen auf, andere Luft weht, fremde Erde, Abenteuer. Und im Rahmen dieses Ganzen führen Artisten des jeweiligen Landes ihre besonderen Künste vor. Man weiß: Fakire kommen aus Indien, tollkühne Reiter aus sibirisch Rußland, Springer aus Arabien und Nord-Afrika, Lassowerfer aus Nordamerika, Messerwerfer und Seilkünstler aus Japan, Zopfakrobaten aus China.“

Hier wird besonders deutlich, was die Zuschauer*innen erwarten: „Abenteuer“ und die Sehnsucht nach „exotischen“ Orten. Auch der Ausdruck „man weiß“ mit einer Aufzählung dessen, was die jeweiligen „Völker“ besonders gut könnten, ist bezeichnend. Deutlich wird, wie vertraut die jeweiligen Stereotype auch dem Karlsruher Publikum waren.

Den prominentesten Platz aber nimmt die Beschreibung der Sioux-„Indianer“ ein, die einen großen Teil des Artikels „Rundgang durch den Zirkus Sarrasani“ einnimmt:

„Zwischen den Autos der Schau bauen die Indianer ihre Zelte (Tippeis [sic!]) auf, in denen sie im Sommer wohnen. Sarrasani hat seit mehr denn zwanzig Jahren das Monopol, direkt aus den nordamerikanischen Territorien echte Indianer nach Europa zu holen. Drüben leben die Indianer als wohlhabende Farmer, sie betrachten die Fahrt zu und mit Sarrasani – der bei ihnen sehr populär ist – als ein Vergnügen. Die Ausreisebestimmungen für Indianer sind sehr streng. Für jeden Mann muß Sarrasani eine hohe Kaution hinterlassen, im Falle des Ablebens muß der tote Indianer einbalsamiert in seine Heimat zurückgebracht werden. Hin- und Rückreise der Indianer (wie auch der Argentinier und Brasilianer) zahlt Sarrasani, dazu sehr hohe Gagen, Wohnung und Verpflegung. Die in diesem Jahre mit der Sarrasani-Schau reisenden Indianer wurden von dem Cowboy Mr. Shoultz und seiner Frau für den Zirkus Sarrasani direkt aus ihren Stammsitzen geholt; aus Pine Ridge im Staate South Dakota. Der Häuptling „Weißer Büffel“ herrscht dort über 1200 Indianer, die gleich ihm Farmer sind. Insgesamt kamen mit „White Buffalo“ 18 Indianer und 4 Kinder zu Sarrasani. Sie landeten in Hamburg und Vertreter der dortigen Universität begrüßten sie als willkommene ethnographische Studienobjekte. Professor Dr. Passarge stellte fest, daß es sich durchweg um prächtige, typische Vertreter der leider austerbenden rote [sic!] Rasse handelt, Professor Dr. Daniel machte wissenschaftlich wertvolle Aufnahmen und stellte u. a. fest, daß einzelne der Indianer noch die uralte Zeichensprache verstehen, die ein Hauptgegenstand gelehrter Forschung ist und schon als verloren galt. Im phonetischen Institut der Hamburger Universität wurden Gesänge der Indianer aufgenommen. Die genannten Forscher haben der Direktion des Zirkus Sarrasani ihren Dank dafür ausgesprochen, daß sie durch ihre Indianer der Wissenschaft wertvolle Dienste geleistet hat. Innerhalb des Zirkus leben die Indianer ziemlich abgeschlossen, sie lassen sich von fremden Besuchern nicht gerne ohne Kriegsbemalung sehen, sitzen in ihren Zelten, singen, rauchen und beraten. Interessant ist die Tatsache, daß Sarrasani verpflichtet ist, von den Indianern Alkohol fern zu halten, was durch Rundschreiben an alle Gastwirte jeder Gastspielstadt erreicht wird. Die Indianer, die seinerzeit vom Lordmayor von London, vom Berliner Magistrat, vom Hamburger Senat feierlich empfangen wurden, wie auch die Indianer, die vor einiger Zeit am Grabe Karl Mays eine Huldigung darbrachten, gehörten ebenfalls zum Zirkus Sarrasani. 1926 war der mehr als hundertjährige Häuptling „Black Corn“ mit Sarrasani auf der Reise. Er feierte in Frankfurt-Main sein 50jähriges Häuptlingsjubiläum und wurde bei dieser Gelegenheit von der Stadt Frankfurt mit Ehrungen bedacht. Diese Ehrengaben hat „Black Corn“ mit Stolz dem Präsidenten Coolidge vorgewiesen, als dieser 1927 in seinem Bereiche seinen Sommerurlaub verbrachte. Acht Indianer Sarrasani‘s sind römisch-katholisch und machen bei jeder Gastspielstadt der Geistlichkeit ihre Aufwartung.“

Fraglich ist, wie populär Sarrasani tatsächlich unter den Sioux war und ob sie, wie beschrieben, wirklich aus „Vergnügen“ nach Europa fuhren. Anhand von Beschreibungen, wie es ausgestellten Menschen in Europa erging, lässt sich dies stark bezweifeln (vgl. Dreesbach 2005).
Im Zitat zeigt sich zudem wieder die enge Verbindung von Wissenschaft und Völkerschauen. Die in Karlsruhe gastierenden Sioux waren bei ihrer Ankunft in Hamburg zuerst ethnologisch „studiert“ worden. Die Wissenschaftler*innen bekamen „Forschungsmaterial“ von Aussteller*innen wie Sarrasani geliefert, bestätigten im Gegenzug die „Authentizität“ der Ausgestellten, was den Profit der Ersteren erhöhte (mehr zum Thema Völkerschauen, auch im Zusammenhang mit Wissenschaft und Forschung, finden Sie im Hintergrundwissen).

Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch, mit welchem Aufwand Zirkusse wie Sarrasani ihre Shows bewarben.Die Werbetätigkeiten des Zirkus‘ werden beispielhaft dargestellt durch ein Zitat des Journalisten August Heinrich Kober, der als Pressechef bei Sarrasani arbeitete:

„Der Wanderzirkus kennt keinen Achtstundentag, es wird so lange gearbeitet, wie Arbeit da ist und das bedeutet im Propagandawagen: von morgens bis Mitternacht ohne jeden Ruhe- oder Feiertag. Mein Personal bestand aus drei Assistenten, vier Sekretärinnen, zwei oder drei Bürohilfskräften, zwei Klebekolonnen zu je 24 Mann und einem ‚Reklamechef‘, der sie befehligte. Diese Kolonien jagten mit ihren Autos durch die Gegend, sie bekleisterten die Gastspielstadt und ihre weitere Umgebung mit Plakaten nach einem Plan, den ich auf das genaueste ausgearbeitet hatte. Ich hatte acht Schriftplakate und rund dreißig verschiedene Bildplakate bis zur Riesengröße von 22 Bogen. Genau drei Wochen vor der Premiere begann das Bombardement der Gastspielstadt mit meinen Plakaten, wobei eine systematische Steigerung in Wort und Bild zugrunde lag, dann wurde sie überschüttet mit Tausenden von Reklameheftchen (für ein Berliner Gastspiel verbrauchte ich einmal drei Millionen Stück); in alle Läden wurden die ‚Hänger‘ – kleinere Schriftplakate – gebracht, die Zeitungen erhielten Inserate, die ebenfalls auf Steigerung abgestellt waren, dazu Notizen, Artikel, Matern, Fotos. Sämtliche Schulleiter wurden mit Propagandamaterial bedacht, Verleger, Redakteure, prominente Persönlichkeiten besucht und zur Premiere eingeladen“ (Korber 1958, zit. nach Dreesbach 2005:129).

Bei solchen Anstrengungen ist es also nicht verwunderlich, dass viele der Karlsruher Bürger*innen sich solche Vorführungen ansahen und ihnen die stereotypen Menschendarstellungen geläufig waren.

Die deutsche Kolonial- und Marineausstellung war 1930 im Landesgewerbeamt Karlsruhe zu Gast.

Die Ausstellung sollte vor allem dazu dienen, den „kolonialen Gedanken zu pflegen“, also zu erhalten. Es ging darum, der Bevölkerung zu zeigen, dass man auch weiterhin seinen Anspruch auf Kolonien einforderte:

„Unsere Kolonien, einst unser Stolz, sind heute in fremden Händen. […] Für uns gilt aber nach wie vor das Wort: ‚Koloniale Wiederbetätigung unseres Volkes – wir wollen wieder ein Kolonialvolk werden‘!“ (Badische Kriegerzeitung 1.07.1930:277).

Dabei wurde die Theorie vertreten, dass Deutschland überbevölkert und die Deutschen die Fläche sowohl als Lebensraum wie zur Ernährungssicherheit bräuchten. Es wurde geflissentlich vergessen, dass die deutschen Kolonialgebiete aufgrund von fehlendem Interesse als Lebensraum während der Kolonialzeit als Lebensraum keine Bedeutung hatten (Kämper 2016:203).

Auch wurde die „zivilisatorische Aufgabe betont“, die mit der Kolonialisierung einherginge:

„Im besonderen würde die dauernde Ausschaltung der geistigen und sittlichen Werte der deutschen Kultur von den Aufgaben, die sich die kolonisiserenden Völker in der kulturellen Erschließung der noch unentwickelten Länder der Erde, vor allem auf dem Gebiete des Gesundheitswesens und der Erziehung der eingeborenen Völker gestellt haben, eine wirkliche Lösung dieser Aufgaben verhindern und eine Verarmung der gesamten Menschheitskultur bedeuten“ (Badische Kriegerzeitung 1.07.1930:277).

Da „Deutschlands überseeische Zukunft“ mit einer Stärkung der Seemacht einherging, war die Ausstellung nicht nur als Kolonial-, sondern eben auch als Marineausstellung konzipiert.
Letztendlich ging es, wie so oft, auch um den „Kampf gegen Versailles“ (vgl. Gründer 2012):

„Aus allen diesen Gründen erheben wir, unter Aufrechterhaltung unserer kolonialen Rechtsansprüche, die Forderung auf den Wiedereintritt Deutschlands in eine aktive Kolonialarbeit in eigenen Kolonialgebieten“ (Badische Kriegerzeitung 1.07.1930:277).

Die vom Reichskolonialbund konzipierte Deutsche Kolonialausstellung gastierte 1936 unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Walter Köhler im Landesgewerbeamt.

Die Themen der Ausstellungen waren ähnliche wie zuvor in der deutschen Kolonial- und Marineausstellung 1930. Wie damals ging es 1936 um die „Raumnot“ der Deutschen, die durch die Kolonisierung gelöst werden könne sowie um den Kampf gegen den Versailler Vertrag:

„[…] [W]ir [sehen] auf eine geradezu vorbildliche Leitung des deutschen Volkes und der Schaffung von Kolonien zurück, so daß der Einwurf des Auslands, wir seien ja gar nicht fähig zur Kolonisierung, zurückgewiesen werden muß. Der Versailler Vertrag hat uns eingeengt; dennoch dürfen und können wir in keiner Weise auf jene Lebensräume verzichten“ (Der Führer 05.05.1936).

Auch ging es darum, dass Deutschland die Kolonien brauche, um Waren aus den Kolonien unabhängig importieren zu können:

„Weißt du überhaupt, wieviel Dinge Deines täglichen Gebrauchs koloniale Produkte sind? Ueber zwei Milliarden Reichsmark muss dein Vaterland jährlich an das Ausland für diese Kolonialprodukte zahlen! Bedenke: Fast die Hälfte der Summe der gesamten Einfuhr! ‚Nur deutscher Kolonialbesitz läßt deutsches Geld in deutschen Händen bleiben.‘“ (Der Führer 03.05.1936).

Deshalb sollte die Ausstellung die deutsche Bevölkerung motivieren, sich für eine koloniale Tätigkeit einzusetzen:

„Die Ausstellung hat die Pflicht, im deutschen Volke und gerade bei der Jugend die Befähigung und den Wunsch zu erwecken, hinaus zu gehen und ihren Platz im Sinne deutscher Kultur auszufüllen“ (Der Führer 05.05.1936).

Die „Deutsche Afrika-Schau“ entstand 1936 und stand während ihres gesamten Bestehens im Spannungsfeld zwischen Kolonialrevisionismus und NS-Rassenpolitik. Die Schausteller*innen waren keine direkt aus ehemaligen Kolonien migrierten Personen mehr, sondern allesamt in Deutschland lebende schwarze Menschen – viele von ihnen in Deutschland geboren. Die Schau entstand vor dem Hintergrund, dass Schwarze in Deutschland kaum Arbeit fanden. Sie wurde von zwei Männern gegründet, die selbst davon betroffen waren: einem aus Togo stammenden, aber in Deutschland lebenden Mann sowie einem mit einer schwarzen Frau verheirateten Deutschen. Es handelte sich also zunächst um keine Völkerschau im klassischen Sinne; die Schausteller*innen konzipierten ihre Vorstellungen selbst und ließen auch Teile populärer Unterhaltungsveranstaltungen (Akrobatik, Gesang, etc.) mit einfließen. Man könnte die „Deutsche Afrika-Schau“ in den ersten Jahren also eher als Varieté beschreiben, die vor allem auf Jahrmärkten und Volksfesten auftrat, wie beispielsweise auch in Karlsruhe auf dem Frühjarsmarkt 1938 (Lewerenz 2006:167). Trotz diesen in Teilen selbstbestimmten Vorführungen, ist anzumerken, dass viele der Schausteller*innen keine andere Wahl hatten als sich solchen Schaus anzuschließen. Grund hierfür war, dass sie aufgrund rassistischer Regelungen während der NS Zeit sonst keine Arbeit fanden und sich deshalb wieder in ein koloniales Machtgefüge stellten.

Nach einem Transporterunfall 1937 geriet die Schau in finanzielle Not, weswegen sich die „Deutsche Gesellschaft für Eingeborenenkunde“ einschaltete, die die Schau unter der Bedingung übernahm, sie „positiv zu unterstützen“. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Schau bis zu ihrem Ende immer mehr von Nationalsozialisten vereinnahmt. Ab 1937 stand die Schau direkt unter der Kontrolle der NSDAP und ihrer Behörden. Die „Deutsche Afrika-Schau“ wurde nicht mehr nur als Arbeitsplatz für schwarze Menschen gesehen, sondern auch als Ort, an dem schwarze Männer „unter Kontrolle gehalten“ und überwacht werden konnten, damit es nicht zu einer „Rassenvermischung“ käme. 1938 wurde daher sogar überlegt, ob alle in Deutschland lebenden Kolonialmigranten in der „Deutschen Afrika-Schau“ leben sollten, um sie zu kontrollieren und auch, um zu schauen, welche Personen aus der Schau nicht ursprünglich aus den deutschen Kolonien kamen. Aus verschiedenen Gründen wurde sich jedoch dagegen entschieden. Bis 1939 trat die „Deutsche Afrika-Schau“ auf Jahrmärkten und Volksfesten auf. Sie sorgte aber für immer mehr Unmut: zum einen war sie eine Konkurrenz zu anderen Schaustellunternehmen, zum anderen vielen zu wenig kolonialpropagandistisch, und zu „unauthentisch“ (es waren eben keine Personen aus den Kolonien, die auftraten, sondern Deutsche). Ab 1939 trat die Schau in extra angemieteten Sälen auf, wurde also aus dem Jahrmarktsmilieu herausgelöst und immer mehr kolonialpropagandistisch ausgerichtet (Lewerenz 2006:87-109). Ihr Ende fand die „Deutsche Afrika-Schau“, da die NS Propaganda Hass gegen Frankreich für den Krieg schüren wollte. Dafür griff man die „Schwarze-Schmach“-Kampagne gegen die nach dem ersten Weltkrieg am Rhein stationierten Kolonialsoldaten auf (dies wurde als extrem stigmatisierend empfunden). Die Kolonialsoldaten sollten als besonders brutal dargestellt werden, es war nicht förderlich, dass durch den Kontakt bei der „Deutschen Afrika-Schau“ gezeigt wurde, dass auch schwarze Deutsche „normale Menschen“ sind. Einige der Schausteller*innen überlebten den Nationalsozialismus, von mindestens zwei Personen ist bekannt, dass sie hingerichtet oder ins Konzentrationslager deportiert wurden (Lewerenz 2006:131-141).

Das Treffen des Verbands ehemaliger Angehöriger des Deutschen Afrika-Korps fand größtenteils in der Schwarzwaldhalle statt und wurde durch die Stadt gefördert. Auch der damalige Oberbürgermeister Günther Klotz sprach ein Grußwort. Anwesend waren Krieger des Afrika-Korps, das im zweiten Weltkrieg von 1941-1943 in Nordafrika kämpfte sowie Angehörige der kaiserlichen Schutztruppe (allesamt als „Afrikaner“ tituliert).
Das Treffen ist ambivalent zu beurteilen; auf der einen Seite gab es immer wieder die Aufforderung zu einem demokratischem Bekenntnis und dem Eintritt für „Versöhnung und Verständigung“ sowie einem „Kampfe für eine hellere Welt“ (ohne genauere Angaben, was dies bedeutet) (Verband ehemaliger Angehöriger des Deutschen Afrika-Korps e.V. 1958:25).
Auf der anderen Seite wurde und wird durch den Verband Kriegs- und Soldatenromantik gefördert sowie der eigene Einsatz im Krieg verherrlicht, wenn beispielsweise vom „tapferen Kampf der ehemaligen Schutztruppe [bei] der Niederwerfung des Hereroaufstandes 1904“ gesprochen wird (Verband ehemaliger Angehöriger des Deutschen Afrika-Korps e.V. 1958:27). Generell werden Kampfhandlungen in keiner Weise hinterfragt, zum Beispiel beim Bericht über eine Karlsruher Division, die „in treuester Pflichterfüllung bis zum Äußersten im Jahr 1945“ in Danzig die Stellung gegen die Sowjets hielt (Verband ehemaliger Angehöriger des Deutschen Afrika-Korps e.V. 1958:19), sondern die „Soldatentreue“ romantisiert, sowie der Zusammenhalt von Soldaten („Familienverbundenheit“): „Das Düsseldorfer Treffen [im Jahr zuvor, N.H.] hat diese Verbundenheit erneut sichtbar werden lassen, […] weil sie von demselben einzigartigen Geist der Zusammengehörigkeit getragen war“ (Verband ehemaliger Angehöriger des Deutschen Afrika-Korps e.V. 1958:6). Auch wurde und wird Edwin Rommel verherrlicht, dessen Foto gleich zu Beginn eine ganze Seite der Festschrift prägt(e), zu dessen Ehren eine Sonderpostkarte mit einem Holzschnitt seines Porträts herausgegeben wurde und über den der Vorsitzende des Verbandes in seinem Abschiedsgruß schrieb: „Es ist und bleibt unsere wichtigste Pflicht, dieses Andenken an Rommel für immer wachzuhalten. Ich bin gewiß, daß jeder, der unter seinem Kommando in Afrika gestanden hat, das als eine Herzensangelegenheit betrachtet“ (Verband ehemaliger Angehöriger des Deutschen Afrika-Korps e.V. 1958:13).
Den „Verband Deutsches Afrika-Korps“ gibt es noch heute. Laut eigenen Angaben auf der Homepage tritt er für die Völkerverständigung und gegen die Propaganda von Nationalsozialisten ein, unterhält aber weiterhin ein Museum in der „Villa Lindenhof“ zu Ehren Erwin Rommels.

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Wirtschaft und Handel

Blick auf den Rheinhafen bei Dämmerung
Blick auf die produzierten Waffen; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_Alben_390_26
Blick in die Produktionsräume; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_Alben_390_10
Die „Metallpatronenfabrik“ 1896 noch unter Besitz des Ingenieurs Wilhelm Lorenz; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 11_DigA_0020_22
Blick auf die „Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG“ mit Sitz in Berlin um 1900; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 11_DigA_0020_20
Die „Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken“ 1912 – inzwischen wesentlich vergrößert durch die zwei vorderen Hallengebäude (heute ZKM & städt. Galerie); Quelle:Stadtarchiv Karlsruhe 11_DigA_0020_19
Werbung der Firma „Ebersberger & Rees“; Quelle:Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_X_6637
Blick auf die Firma Ebersberger&Rees in der Wielandtstraße 25 (ab 1903), Quelle:Stadtarchiv Karlsruhe 8_BA_Schmeiser_665

Die Kolonien waren insgesamt wirtschaftlich nie rentabel für das deutsche Reich (nur in Togo konnten einige Überschüsse erzielt werden), dennoch konnten einige Privatunternehmen von der Kolonisation ökonomisch profitieren (Lindner 2016:22). Auch in Karlsruhe gab es Unternehmen, die durch den Hochimperialismus groß werden konnten – ein Beispiel ist die Munitionsfabrik, die lange Zeit eine der größten Arbeitgeberinnen der Stadt war. Wie in vielen anderen Städten entstanden auch hier sogenannte „Kolonialwarenläden“, die allerlei Güter aus den Kolonien handelten. Da es diverse kleinere dieser Läden gab, wird nur auf die relativ bedeutende Firma „Ebersberger & Rees“ intensiver eingegangen.

 

Häfen waren wichtige Stützpunkte zur Zeit des Hochimperialismus. Hier konnten Güter – und je nach Ort auch Menschen – verschifft und entladen werden.
Der Rheinhafen Karlsruhes war wohl weniger bedeutsam für imperiale Bestrebungen des deutschen Reiches, dort wurden hauptsächlich Holz und Kohle verschifft. Allerdings war und ist er für den Gütertransport sehr wichtig; er sorgte beispielsweise dafür, dass die  Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik ihre Waren verschiffen konnte (Stadtarchiv Karlsruhe 2001:17). Auch siedelte sich die „Deutsch-Koloniale Gerb- und Farbstoffgesellschaft“ am Rheinhafen an (Stadtarchiv Karlsruhe 2001:127). Wie lange diese dort war, was genau ihre Aufgaben waren und wie groß sie war, konnte noch nicht in Erfahrung gebracht werden.

Die Karlsruher Munitionsfabrik wurde 1872 zur Zeit des Hochimperialismus gegründet und 1878 von dem Ingenieur Wilhelm Lorenz übernommen; sie fertigte Metallpatronen, Geschosshülsen und Maschinen zur Herstellung von Munition. Schon 1882 war die Firma in der Lage bis zu 500 000 Patronen pro Tag zu fertigen und erhielt  ab 1883 die Erlaubnis, scharfe Munition zu liefern. Die Munitionsfabrik bekam Staatsaufträge vom Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, Italien, England und Serbien und unterhielt Geschäftsbeziehungen bis nach China und Südamerika (Koch 1997:25). 

Die Entstehungsgeschichte der an der Gartenstraße, Einmündung Lessingstraße, gelegenen Fabrik stellt Manfred Koch (1997:25) in einen eindeutigen Zusammenhang zur voranschreitenden Kolonisierung von Territorien durch europäische Mächte: 

„So kritisch man aus heutiger Sicht den technischen Fortschritt in der Munitionsproduktion beurteilen mag, den Lorenz mit den von ihm konstruierten Maschinen ermöglichte, bleibt zugleich festzuhalten, daß danach in Zeiten imperialistischer Expansions- und kolonialer Eroberungspolitik eine weltweit existierende übergroße Nachfrage bestand.“ 

Für fünf Millionen Mark verkaufte Lorenz 1889 die Fabrik an Konkurrenten und gründete in Ettlingen eine – noch existierende – Maschinenfabrik. Die Munitionsfabrik wurde 1889 in die „Deutsche Metallpatronenfabrik AG“ und diese 1896 in „Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG“ (kurz: DWM) mit Sitz in Berlin umgewandelt. 

Das Karlsruher Werk wurde mit dem Anfang des 20. Jahrhunderts erweiterten Grötzinger Werk zu einem der bedeutendsten und leistungsfähigsten der Branche auf dem Kontinent. Es war der wichtigste Arbeitgeber der Stadt, wobei die Anzahl der Arbeiter*innen auch mit der Auftragslage schwankte. Im Durchschnitt waren es ca. 1300 Arbeiter*innen (30-45% Frauen). Schon vor der Jahrhundertwende (also vor den beiden Weltkriegen) war es die größte Fabrik in Karlsruhe (Koch 1997:26).

Die Fabrik bestand bis Ende des Zweiten Weltkrieges, der sogenannte „Hallenbau A“ beherbergt heute das ZKM sowie die städtische Galerie.

Wie in anderen Städten auch, gab es einige Läden in Karlsruhe, die Kolonialwaren führten. An dieser Stelle soll nur auf den Kolonialwarenladen „Ebersberger & Rees“ eingegangen werden; zum einen als exemplarische Ausführung, wie eine kleine Konditorei durch die Kolonisation wirtschaftlich so profitieren konnte, dass sie zu einer großen Firma anwuchs und zum anderen, weil die Firma eben anwuchs und erfolgreich wurde und – im Gegensatz zu den anderen Läden – nicht bei einem kleinen Lebensmittelhandel blieb.

1862 eröffnete Wolfgang Ebersberger eine Konditorei in der heutigen Bürgerstraße Nr. 20, die als besondere Spezialität Lebkuchen führte und nach vier Jahren in die Kronenstraße 48 umzog. Dort blieb sie ungefähr 40 Jahre. Wolfgang Ebersberger war von Anfang an recht geschäftig, 1868 kaufte er eine Bonbonmaschine und begann in größerem Stil Bonbons zu produzieren und die eigenen Waren auch in Durlach abzusetzen. 1873 wurden das erste Mal einzelne Artikel aus der Kolonialwarenbranche zugelegt, laut einem Nachfahren der Firmenbesitzer ein „Markstein in der Entwicklungsgeschichte der Firma“ (Rees o.A.:2). Ab 1877 wurde der gut laufende Geschäftszweig bedeutend erweitert, weshalb die Firma ab 1880 sogar neue Räume anbauen musste. Im Jahr 1882 trat der Kaufmann Robert Rees in die Firma ein und übernahm von da an die Kolonialwarenabteilung, die schon zu dieser Zeit eine Kolonialwarengroßhandlung war. 

Nach und nach wuchs die Firma immer weiter an: das Nebengebäude wurde gekauft und die trennende Mauer durchgebrochen sowie ein Magazin am Bahnhof angemietet, der Name der Firma in „Ebersberger & Rees“ umgewandelt. Um 1900 hatte sich das Geschäft auf allen Gebieten so günstig weiterentwickelt, dass trotz aller Vergrößerungen die Räume nicht ausreichten. Im Dezember 1903 wurde deshalb ein Gelände in der Wielandtstraße Nr. 25 gekauft. Nach fünfzig Jahren gliederte sich der ganze Betrieb der Firma Ebersberger & Rees in drei Abteilungen: 

– Zuckerwarenfabrik (Bonbonsfabrikation, Marmeladekocherei und Bäckereiabteilung),
– Kolonialwaren-Großhandlung und
Kaffee-Rösterei (wobei der Kaffee auch aus Kolonien importiert wurde) (Rees o.A.:2ff.).

Das Hauptabsatzgebiet für die Abteilung Kolonialwaren war die Stadt Karlsruhe sowie Umgebung; nördlich etwa bis Bruchsal, südlich bis Rastatt und Baden-Baden (Rees o.A.:5).
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Firmengelände stark zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die Firma nicht halten und wurde geschlossen (Rees o.A.:6).

Personen, die sich unter anderem in Karlsruhe für die koloniale Frage engagiert haben.

Karl von Grimm, in: Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS III 506
Theodor Rehbock, in: Hoepke et al. (2007): Geschichte der Fridericiana, S.76
Geheimer Hofrat Adolf von Oechelhäuser; Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_oIII_562

Karl von Grimm wurde 1830 in Karlsruhe geboren. Er studierte Jura und arbeitete als Rechtsanwalt zunächst in Pforzheim, später dann in Mannheim, von wo aus er 1869 in den Landtag entsandt wurde. Zwischen 1873 und 1876 saß er sogar für den Landkreis Philippsburg im Reichstag. 1876 wurde er an die Spitze des Ministeriums des Großherzoglichen Hauses und der Justiz berufen, wo er nahezu fünf Jahre lang die badische Gesetzgebung, geregelt durch die Reichsjustizpflege, reformierte.

In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, mit Beginn seines Ruhestands, begann von Grimm sich persönlich und finanziell für die Verbreitung des Kolonialgedankens einzusetzen. Er gehörte zu den Gründern der Gesellschaft für deutsche Kolonisation in Berlin, unterstützte 1884 die Expedition von Carl Peters in Deutsch-Ostafrika sowie den Erwerb des Gebiets. Dadurch wurde er Mitglied des Verwaltungsrates der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, welche sich zur Verwaltung des Gebietes gebildet hatte, und anderer kolonialer Gesellschaften. In späteren Jahren war er als Mitglied des Kolonialrates auch zur Mitwirkung bei der Tätigkeit der Reichsbehörden auf kolonialem Gebiet berufen. Zu seinen Lebzeiten veröffentlichte von Grimm diverse koloniale Schriften, darunter „Der wirtschaftliche Wert von Ostafrika“, „Berichte namhafter Reisender über Natur und Beschaffenheit Deutsch-Ostafrikas“, „Abriß der Kulturgeschichte Ostafrikas“ und „Die Pharaonen in Ostafrika“.

Karl von Grimm war demnach ein prominenter und durchaus einflussreicher Vertreter des Kolonialismus. Nicht verwundern mag es also, dass er, nachdem er nach Karlsruhe zurückgekehrt war, dort Vorstand der Gesellschaft für deutsche Kolonisation wurde. Als diese dann mit der Deutschen Kolonialgesellschaft verschmolz, blieb er dort Vorsitzender bis zu seinem Tod 1898 (Von Weech 1906:220.223).

Theodor Rehbock war zwischen 1899 und 1934 Inhaber des Lehrstuhls für Wasserbau an der Technischen Hochschule Karlsruhe. In den Jahren 1907/1908, 1917/1918 und 1925/1926 war er zudem Rektor der Hochschule (Wittmann 1949:26ff.).

Rehbock war zeitweise Vorsitzender des Ablegers der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) in Karlsruhe. In dieser Funktion war er u.a. auch Teil des Ausstellungskomitees für die Deutsch-Koloniale Jagdausstellung 1903 in Karlsruhe, die dazu beitragen sollte, das Interesse der Bevölkerung an den Kolonien zu steigern (Rehbock 1903:6-12).

Der 1894 in Amsterdam geborene Rehbock entstammte einer Familie, die sich wegen der Leitung eines Handelshauses durch seinen Vater Alexander Rehbock schon länger für koloniale Unternehmungen in Indien einsetzte (Wittmann 1949:28). Rehbock studierte in München und Berlin Bauingenieurwesen und arbeitete unter anderem am Entwurf der „Lüderitzbrücke“ in Bremen und zwei Jahre am Deutschen Reichstag mit, bevor er sich 1894 als beratender Ingenieur in Berlin niederließ. Von dort aus unternahm er Reisen durch Europa, nach Nord- und Südamerika und nach Südafrika im Auftrag des „Syndikates für Bewässerungsanlagen in Deutsch-Südwestafrika“ (Wittmann 1949:26f.). Solche Forschungsreisen waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts bewaffnete und gut ausgerüstete Expeditionen, durch die Afrika der Wissenschaft erschlossen und gegebenenfalls für die Industrie nutzbar gemacht werden sollte. Auffällig ist, dass sich die Interessen zwischen Wissenschaft und Industrie teilweise stark ähnelten. Auch wenn solche Forschungsreisen häufig privater Natur waren und nicht von der Regierung finanziert wurden, begriffen sich viele Forschungsreisenden grundsätzlich als „Repräsentanten und Wortführer der ‚Zivilisation‘ und glaubten, über besondere Rechte und Pflichten zu verfügen“ (Leclerc 1973:14). 
Die Expedition zur „Untersuchung der Wasserverhältnisse des Schutzgebietes“ dauerte vom 24.07.1896 bis zum 16.11.1897, wovon Rehbock nur die Zeit von Oktober 1896 bis Oktober 1897 tatsächlich in Deutsch-Südwestafrika zubrachte (Rehbock 1898:1-22). Seine Reise fiel also zeitlich in die Periode kurz nachdem Reichskanzler Otto von Bismarck 1884 die Gebiete unter „Reichsschutz“ stellte, die zuvor Adolf Lüderitz über verschiedene – oftmals unter falschen Prämissen geschlossenen Handelsverträge – erworben hatte. Dadurch kam es bald zu einer formellen Kolonialherrschaft durch das Deutsche Kaiserreich in Deutsch-Südwestafrika (Lindner 2016:19). In seinem Bericht „Deutsch-Südwest-Afrika. Seine wirtschaftliche Erschliessung unter besonderer Berücksichtigung der Nutzbarmachung des Wassers. Bericht über das Ergebnis einer im Auftrage des ‚Syndikates für Bewässerungsanlagen in Deutsch-Südwest-Afrika‘ durch das Herero- und Gross-Namaland unternommene Reise“ legte Rehbock detailliert seine Reise durch Deutsch-Südwestafrika, seine Eindrücken und vor allem die Nutzbarmachung des Wassers in den jeweilig besuchten Gebieten dar. 

Die Erschließung des Landes sah er dabei sehr eng verknüpft mit der „Wasserfrage“. Das Land sollte erschlossen werden, um es für eine deutsche Einwanderung nutzbar zu machen. Rehbock sah in Deutsch-Südwestafrika also eine Siedlungskolonie. Gerade auch deshalb findet sich in seinem Bericht ein Teil, in dem er darlegt, welche Berufe Einwanderer ausüben könnten und gebraucht würden, wie und wo sie Viehzucht betreiben sollten und was es bei einer Einwanderung zu bedenken gäbe (Rehbock 1898:174-203). Dies schließt eine ausführliche Berechnung der Kosten, die eine Ansiedlerfamilie zunächst vorstrecken müsste (geschätzte 8000 Mark) sowie eine Rentabilitätsrechnung mit ein. 

Seiner Meinung nach sollte die Einwanderung zur „Kräftigung der wirtschaftlichen und politischen Stellung des Mutterlandes“ nach Deutsch-Südwestafrika stärker gefördert werden, da „[d]ie wichtigste Grundbedingung für die Erschliessung Deutsch-Südwest-Afrikas […] natürlich die Besiedelung des Landes mit Europäern [ist], da die Vermehrung der weissen Bevölkerung die Voraussetzung jedes wirtschaftlichen Aufschwunges ist. Aus politischen Gründen wird es wünschenswert, namentlich oder ausschliesslich deutsche Ansiedler heranzuziehen, damit eine möglichst einheitliche Bevölkerung entsteht, die dem Mutterlande wirtschaftlich und politisch die grössten Vorteile bietet“ (Rehbock 1898:212f.). Dazu schlug er die Schaffung einer „Auswanderungsbehörde“ vor, die in Deutschland über die Aussichten einer Auswanderung nach Deutsch-Südwestafrika aufklärt, die im „Schutzgebiet“ zu besetzenden Stellen bekannt gibt, schon im Reich die geeigneten Leute auswählt, günstige Transportbedingungen erwirkt und Vorschüsse und Reiseunterstützung vermittelt (Rehbock 1898:215). Warum er gerade die Deutschen dabei als geeignet ansah, eine große Gruppe von Auswanderern zu stellen, wird in folgendem Zitat erkennbar:

„Dass es im Deutschen Reiche an einem hervorragend tüchtigen Auswanderungsmateriale nicht fehlt, dass sogar kein anderes Land der Erde, mit Ausnahme vielleicht von Grossbritannien, in dieser Beziehung gleichzustellen ist, das haben die etwa 4 Millionen Auswanderer dargethan [sic!], die im Laufe der letzten 50 Jahre aus dem Gebiet des Deutschen Reiches in die Fremde gezogen sind und sich allenthalben als ein wirtschaftlich starkes und kulturkräftiges Element erwiesen haben“ (Rehbock 1898:213).

Insgesamt folgt Rehbock in seiner Beschreibung der einheimischen Bevölkerung einer rassistischen und chauvinistischen Erzählweise. So berichtet er beispielsweise von einer Begegnung einer größeren Gruppe an „Bastards“, die eine „Kreuzung“ zwischen Buren und „Hottentottinnen“ (Volksgruppe der Khoikhoi) seien: „Die Bastards, von denen grössere Gemeinden in Rehoboth, bei Rietfontein und bei Grootfontein im Namalande wohnen, sind aus der Kreuzung von Boeren mit Hottentottinnen entstanden“ (Rehbock 1898:13). Zudem spricht sich Rehbock positiv darüber aus, dass ein Missionar es geschafft hätte, den „Bastards“ Zucht und Ordnung sowie ein patriarchales Weltbild zu vermitteln: „In Rehoboth stiegen wir bei dem einflussreichen und hochgeachteten Missionar Heidmann ab, der die Bastards bereits im Jahre 1868 bei ihrem Eintritt in das jetzige deutsche Schutzgebiet begleitete und dem es wohl in erster Linie zu danken ist, dass die Bastards es zu einem geordneten, auf patriarchalische Anschauungen und kirchlicher Zucht begründeten Gemeinwesen und zu leidlichem Wohlstande gebracht haben“ (Rehbock 1898:14).

Nach der Reise setzte sich Rehbock weiterhin dafür ein, dass das Deutsche Reich vermehrt Gelder in die Erschließung Deutsch-Südwestafrikas investieren sollte. Die Fokussierung auf dieses Gebiet rührte vor allen Dingen daher, dass er die tropischen Gebiete zwar als geeigneter ansah, um Handelswaren zu liefern, diese sich allerdings nicht als Lebensraum für Europäer eigneten (Rehbock 1904:5f.): „Nur in Südwestafrika, als der einzigen Siedlungskolonie des Reiches, kann ein Neudeutschland entstehen […].“ (Rehbock 1904:44) Tatsächlich rückte ab 1890 Ostafrika ins Zentrum der Kolonialpolitik (Bendikat 1984:118) – was Rehbock zu ändern versuchte.

Fast schon zynisch mutet es an, dass Theodor Rehbock seine zweite Schrift zur „Nutzbarmachung“ der Gebiete in Südwestdeutschland, „Deutschlands Pflichten in Deutsch-Südwestafrika“ im Jahr 1904 veröffentlichte, dem gleichen Jahr, in dem die Herero-Aufstände begannen und die Deutsche Schutztruppe unter dem Befehl von Trothas den Großteil der schon besiegten Herero in die Omaheke Wüste trieben und verdursten ließen (vgl. Gründer 2012:130f.). Rehbock sah in den Aufständen der Eingeborenen eine günstige Gelegenheit, um die erhöhte Aufmerksamkeit für Deutsch-Südwestafrika innerhalb der deutschen Bevölkerung zu nutzen und für die Besiedelung des Gebietes zu werben:

„Deutsch-Südwestafrika steht zurzeit unter den deutschen Schutzgebieten im Vordergrund des Interesses. Die schweren, der jungen Kolonie durch Aufstände der Eingeborenen zugefügten Schläge haben derselben in der deutschen öffentlichen Meinung diejenige Beachtung verschafft, die sie als das einzige mit einem gesunden subtropischen Klima gesegnete deutsche Schutzgebiet, als die einzige Siedlungskolonie des deutschen Reiches von jeher hätte beanspruchen können“ (Rehbock 1904:5).

In seiner Schrift kämpfte er gegen das „schlechte Image“ an, das Deutsch-Südwestafrika seiner Meinung nach zu Unrecht genoss und versuchte aufzuzeigen, dass dies leicht durch eine gezielte Nutzbarmachung des Wassers geändert werden könne:

„Wer nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wie selbst das dürrste Wüstenland, sobald ein Bewässerungskanal ihm das lebenspendende Wasser zuführt, in ein üppiges Gartenland verwandelt wird, dem kann man es in der Tat nicht verdenken, wenn er an die Zukunft Deutsch-Südwestafrikas nicht glaubt.“ (Rehbock 1904:6)

Tatsächlich war das Interesse von Investoren an Deutsch-Südafrika schon früh erloschen, als klar wurde, dass sich das Gebiet nicht zum Abbau von Mineralien eignete (Gründer 2012:121).

Seine eigene Aufgabe sah Rehbock darin, über die Eignung des Gebietes zur Auswanderung aufzuklären: „Bei dieser Sachlage ist es als eine wichtige Aufgabe im Interesse unseres südwestafrikanischen Besitzes zu bezeichnen, aufklärend in der Heimat zu wirken.“ (Rehbock 1904:7) Tatsächlich war es im Deutschen Reich nicht gerade populär, in die Kolonien auszuwandern. In die Kolonien gingen, so die landläufige Ansicht in Deutschland, nur die Verlierer, diejenigen, die ein finanzielles oder ein persönliches Problem hätten. Selbst Kaiser Wilhelm II soll sich teilweise abfällig über Personen geäußert haben, die in die Kolonien gingen (Speitkamp 2016:36).

 „Deutschlands Pflichten in Deutsch-Südwestafrika“ sah Rehbock letztendlich gerade darin, dass mehr Geld in die wirtschaftliche Erschließung des Gebietes investiert werden müsse. Wäre das Land erstmal erschlossen, hätte „das Deutsche Reich seine Kulturmission in Südwestafrika im Wesentlichen erfüllt […]“ (Rehbock 1904:41). Daraus würden wirtschaftliche Vorteile erwachsen, aber auch „politisch durch den Machtfaktor eines stammverwandten Volkes im fernen Südafrika, das […] einer europäischen Macht gegenüber ein nicht zu unterschätzender Bundesgenosse sein kann, wie der Burenkrieg überzeugend gezeigt hat“ (Rehbock 1904:41).

Dass die zunehmende „Herrenpolitik“ der deutschen Siedler, die wachsende Rechtsunsicherheit für die schwarze Bevölkerung und ein sehr brutales Vorgehen gegen diese, deren Verarmung und die betrügerischen Geschäftspraktiken zu den Aufständen führten (Gründer 2012:128f.) ignoriert Rehbock völlig. Die einzigen Kommentare hierzu finden sich in der Begründung, warum gerade nun, da es Aufstände gäbe, die Gelegenheit zu vermehrter Besiedelung günstig sei:

„Die Aufstände der Eingeborenen, die unsere Opfer für das Schutzgebiet so sehr erhöhen, zwingen, um diese Opfer nutzbar zu machen, zum energischen Handeln. Sie haben weite Kreise des deutschen Volkes für Deutsch-Südwestafrika interessiert. Tausende nach Niederschlagung der Aufstände aus Südwestafrika zurückkehrender Krieger werden in ihrer Heimat berichten, wie angenehm es sich in den weiten Steppen des Schutzgebietes bei dem trefflichen Klima leben lässt. Bei dem deutschen Auswanderer wird immer mehr die Lust erwachen, nicht in der Fremde, sondern auf deutschem Boden im fernen Weltteil den Kampf um eine bessere Existenz, als sie die deutsche Heimat zu bieten vermag, zu führen.“ (Rehbock 1904:44, kurs. N.H.)

Das Plädoyer für die Nutzbarmachung Deutsch-Südwestafrikas für eine deutsche Besiedelung endet mit dem patriotischen Aufruf an die Deutschen, möglichst bald mit der Besiedelung zu beginnen:

„Das ganze deutsche Volk sollte durchdrungen sein von der Wichtigkeit einer schnellen Besiedelung Deutsch-Südwestafrikas, es sollte wie ein Mann hinter seiner Regierung stehen bei der Lösung der Aufgabe, das mit Waffengewalt eroberte Land auch wirtschaftlich zu erschliessen, zur Förderung des deutschen Erwerbslebens und zur Stärkung der Weltmachtstellung des Deutschen Reiches“ (Rehbock 1904:44).

Heute ist Rehbock vor allem als Begründer des Flussbaulaboratoriums an der Hochschule in Karlsruhe bekannt. Am heutigen KIT gibt es immer noch ein Theodor-Rehbock-Wasserbaulaboratorium im Gebäude 10.84 des Campus‘ sowie einen Theodor-Rehbock-Hörsaal (HS59 im Gebäude 10.81). Zudem findet sich eine Theodor-Rehbock Straße in der Innenstadt, nicht allzu weit vom Schloss entfernt. Im Stadtarchiv Karlsruhe finden sich einige Zeitungsartikel von 1949 bis 2010, die zu Ehren Rehbocks geschrieben wurden (StadtKA 8/ZGS Rehbock, Theodor). Darunter sind ein Artikel aus dem Jahr 1949 zu Rehbocks 85-jährigem Geburtstag, zwei Artikel von 1950 zu seinem Tod, ein Artikel aus dem Jahr 1967 aus einer Reihe über Oberrheinische Erfinder, Ingenieure und Fabrikanten, ein Artikel über eine zweitägige Festveranstaltung zu Ehren Rehbocks aus dem Jahr 2000 und ein weiterer Artikel aus dem Jahr 2010 aus einer Reihe der BNN, die über „verdiente Wissenschaftler der Fächerstadt“ berichtet. Auffallend ist, dass zunächst seine Reise nach Südafrika nur mit dem Hinweis „Forschungsreise“ versehen wurde (vgl. SAZ 16.04.1949, BNN 24.10.1950), die bewundernd unter die Summe der aufgezählten Verdienste fiel: „ [er] hatte als Leiter einer Expedition zur Feststellung der Bewässerungsmöglichkeiten Deutsch-Südwestafrika bereist und dort, begleitet von Eingeborenen, achttausend Kilometer im Ochsenwagen und zu Pferd zurückgelegt. Weitblick und Erfahrung begleiteten ihn, als er nach Karlsruhe kam.“ (BNN 1950) Auch wurde das Reisen allgemein als Ausdruck seiner wissenschaftlichen Neugierde gedeutet. So heißt es beispielsweise in der BNN vom 11.02.1967: „Die Fülle der von Rehbock bearbeiteten Stoffe ist ebenso bewundernswert wie die Ingenieurleistungen selbst, die auf ihn zurückgehen. Theodor Rehbock kannte so gut wie alle Strom- und Wasserkraftprobleme nicht etwa nur Deutschlands, sondern auch aller Kulturnationen sonst. Er schilderte die Wasserstraßen durch die kanadischen Seen, die Möglichkeit der Nutzbarmachung des Wassers im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, den wirtschaftlichen Wert der Subtropen in seiner Abhängigkeit von der Wasserfrage […] und so fort.“ Auch wenn es sich um Forschungsreisen gehandelt haben mag, gibt es keinerlei Hinweise auf den Kontext, den Auftraggeber und – was am Wichtigsten ist – das Ziel dieser Forschungsreisen, nämlich die Kolonisierung des Gebietes. In dem Artikel Ekart Kinkels aus der BNN vom 05.01.2010 wird die Reise nach Südafrika nicht einmal mehr erwähnt, sondern nur noch die Reisen nach Südamerika und Nordafrika als Zeichen dafür, dass Rehbock nicht nur „Wissenschaftler im Elfenbeinturm“ gewesen wäre: „Als Mann der Praxis verließ Rehbock so oft es ging den Elfenbeinturm der Forschung und unternahm Exkursionen nach Südamerika und Nordafrika.“
Letztendlich konnte im Stadtarchiv Karlsruhe kein Hinweis auf eine kritische Auseinandersetzung mit Theodor Rehbock als Person und seine Forschungsreisen gefunden werden. Stattdessen wird dieser Aspekt seiner Person vollkommen ausgeblendet. Gerade im Kontext des Postkolonialen ist es wichtig, sich auch mit verschiedenen Seiten auseinanderzusetzen und zu differenzieren: wer hat von der Forschung profitiert, wer nicht und wer wird bei der Auseinandersetzung übersehen? Warum wird der Kolonialaspekt komplett ausgeblendet? Wer hat hier die Hoheit über den Diskurs? 

 

Der Kunsthistoriker Adolf von Oechelhäuser wurde 1852 als Sohn einer adeligen Familie geboren, studierte zunächst Architektur in Berlin und Hannover, bevor er sich schließlich der Kunstgeschichte zuwendete. In Heidelberg promovierte er und verfasste ein in sechs Auflagen erschienenes Buch über das Heidelberger Schloss, für das er heute noch einigen Kunsthistoriker*innen bekannt sein mag. Vor allem aber – wenn auch nur in geringem Maße – wird Oechelhäuser heute für seinen Einsatz in der Denkmalpflege gewürdigt (StadtKA 8/ZGS Personen – Zeitgeschichte; StadtZeitung 06.09.2002). Vor 1918 dürfte Oechelhäuser durchaus zu den bekannteren Persönlichkeiten Badens gezählt haben – er trug den Ehrentitel „Geheimer Hofrat“, traf mehrmals in seinem Leben den Kaiser und findet immer wieder namentlich Erwähnung in den Stadtchroniken. Zwischen 1893 und 1919 war er Professor an der Technischen Hochschule Karlsruhe, 1902/1903 und 1909/1910 auch deren Rektor (StadtKA 7/NL Strobel 30).

In Karlsruhe wirkte er führend in der örtlichen Sektion der Deutschen Kolonialgesellschaft mit (Hoepke et al. 2007:88). Wie sein Vater gehörte Oechelhäuser den Nationalliberalen an, war ein Verfechter der Monarchie und Gegner eines parlamentarischen Systems (Stadtarchiv Karlsruhe 8/ZGS Personen – Zeitgeschichte; StadtZeitung 06.09.2002).

In den Stadtchroniken wird Oechelhäuser immer wieder im Zusammenhang mit der Deutschen Kolonialgesellschaft, Abteilung Karlsruhe, erwähnt, deren Vorsitzender er spätestens ab 1910 (StadtKA 4/Dq1 Chronik 1910:175) bis mindestens 1913 (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1913:112f.) war.  Aber auch vor 1910 war Oechelhäuser höchstwahrscheinlich in der Deutschen Kolonialgesellschaft aktiv, 1908 trat er als Redner bei der Gründungsversammlung des Badischen Landesverein des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien (Abteilung Karlsruhe) auf (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1908:169). Sicher kann auch gesagt werden, dass Oechelhäuser seine Position an der Technischen Hochschule Karlsruhe nutzte, um Kolonialpropaganda zu betreiben: im Jahr 1911 wird erwähnt, dass „Freiburger Professoren“ die Technische Hochschule besucht und ein zusammenhängendes Bild des Lebens in den Kolonien in diesen Vorträgen geboten wurde (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1911:126).

Hans Thoma als einen begeisterten Anhänger von Kolonien und aktiven Kolonialpropagandisten zu beschreiben, wäre höchstwahrscheinlich zu weit gegriffen. An ihm zeigt sich aber exemplarisch die Wirkmächtigkeit kolonialer Diskurse: nicht alle Karlsruher*innen waren eifrige Kolonialverfechter*innen, wie es beispielsweise Theodor Rehbock war. Eine große Anzahl von Menschen befürwortete allerdings grundsätzlich den Besitz von Kolonien und war gelegentlich auf kolonialen Veranstaltungen präsent oder reproduzierte selbst koloniales Wissen.

Der Name des berühmten Karlsruher Künstlers taucht immer wieder im Zusammenhang mit kolonialen Aktivitäten auf, wenn auch meistens nicht federführend, sondern nur teilnehmend. Thoma pflegte eine enge Beziehung zu Adolf von Oechelhäuser (Stadtarchiv Karlsruhe 8/ZGS Personen – Zeitgeschichte; StadtZeitung 06.09.2002) und trat mit diesem beispielsweise zusammen in einem Ehrenkomitee anlässlich einer ethnographischen Ausstellung der Basler Mission auf. Sie enthielt Darstellungen des „Lebens und Treibens der Eingeborenen aus den vier Ländern, in denen die Basler Mission arbeitet (Goldküste, Kamerun, Indien und China)“ (Stadtarchiv Karlsruhe 4/Dq1 Chronik 1910:175). Auch war er maßgeblich an den beiden Künstlerfesten „Drei Tage im Morgenland“ 1901 und der „Weltausstellung“ in Karlsruhe beteiligt, die auch Kolonialorte parodierten. Auf ihn mag zutreffen, was Hoepke et al. über die Karlsruher Professorenschaft schreiben (2007:88):

„Im Großen und Ganzen schwamm die Karlsruhe Professorenschaft mit einem breiten Strom, der die deutsche Gelehrtenwelt insgesamt in den 1880er Jahren zu erfassen begann: Immer mehr Professoren schrieben sich mehr oder minder vernehmbar eine nationalpädagogische Berufung zu. Liberal-konservative Anliegen mit anscheinend unpolitischen und vermeintlich überparteilich-patriotischen Inhalten fanden auch unter den Karlsruher Professoren ein beifälliges Echo.“

Es gehörte also zum „guten Ton“, sich national zu engagieren. Teil davon war, sich bei kolonialen Festen, Veranstaltungen und Vorträgen sehen zu lassen. Auch wenn sich nicht herausfinden lässt, wie stark Thoma den Kolonialismus befürwortete, ist er ein Beispiel dafür, wie normal und gängig es auch in Karlsruhe war, sich zumindest im Kleinen kolonial zu engagieren oder koloniale Themen immer wieder aufzugreifen und zu verarbeiten.

Karlsruhe: neokolonial oder postkolonial?

Die Überschrift  ist bewusst provokativ als Frage gewählt.

Die Frage richtet sich danach, in welcher Stadt die Bürger*innen Karlsruhes leben möchten. Immer noch werden in Karlsruhe „Kolonialhelden“ geehrt, findet kaum Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus statt. So entstehen koloniale (Macht-)Verhältnisse immer wieder neu – Karlsruhe wird zur neokolonialen Stadt. Auf der anderen Seite gibt es Auseinandersetzungen und Initiativen, die die Kolonialgeschichte aufgreifen und einen öffentlichen Diskurs anregen – dadurch wird Karlsruhe postkolonial. 

An dieser Stelle werden also zwei Gegenbilder entworfen. Die Frage, die letztendlich dahinter steht, lautet: Wie wollen wir leben?

  • Die kolonialen Verflechtungen der Stadt werden gezielt oder auch unbewusst ignoriert
  • Das „Wissen“, Karlsruhe und seine Bürger*innen hätten keinen Bezug zum Kolonialismus wird weitergegeben
  • Es wird von einer geringen Bedeutung des Kolonialismus für die Stadt ausgegangen
  • Ehrungen deutscher „Kolonialhelden“ finden weiterhin statt, ihre Taten werden heruntergespielt, sodass keine Auseinandersetzung stattfinden muss
  • Rassistische Bilder und Sprache finden im öffentlichen Raum Verwendung
  • Marginalistierte Gruppen werden weiter an die Peripherie gedrängt
  • Dominanzgesellschaftliche Sichtweisen werden weiterhin gehört, andere bekommen keine Stimme
  • Alte Machtstrukturen bleiben bestehen und werden weiter verfestigt
  • Die kolonialen Verflechtungen Karlsruhes und auch Deutschlands werden weiterhin erforscht, es finden öffentliche Diskurse darüber statt
  • Dabei werden bisherige koloniale Diskurse und ihre Wirksamkeit bis hin zur Gegenwart thematisiert
  • Kolonialismus wird nicht weiter verharmlost und exotisiert
  • Verfestigte Strukturen werden aufgezeigt und Gegenbilder sowie Gegenpositionen zu diesen kolonialen Strukturen geschaffen
  • Es gibt eine kontinuierliche Auseinandersetzung darüber, wie der Kolonialismus bis heute bestehende Rassismen geprägt hat. Rassismus, Exotisierung und die kontinuierliche Darstellung anderer Länder als „unterentwickelt“ haben keinen Platz im öffentlichen Raum
  • Machtstrukturen werden aufgebrochen, alle Menschen finden Gehör in der Stadt

Orte der Erinnerung

Hermann von Wissmann. Deutschlands größter Afrikaner, Schall, Berlin 1906 (gescannt aus der 2. Auflage 1907)

Der sogenannte „Indianerbrunnen“ entstand zwischen 1924 und 1927 auf dem Werderplatz in der Südstadt. Auslöser für den Brunnenbau war die Planung einer neuen Toilettenanlage am Werderplatz. Da die Kanalisation dort nicht tief genug lag, um sie vollständig im Boden zu versenken, beschloss der Architekt Friedrich Beichel, der das Hochbauamt leitete, den Überstand als Sockel für einen neuen Marktbrunnen zu nutzen. Als das Karlsruher Tagblatt 1924 eine Entwurfszeichnung Beichels veröffentlichte, die in der Mitte einen etwa lebensgroßen „Indianer“ mit Federschmuck, Schild und Kriegsbeil zeigte, kam es zu unerwartet starkem Widerstand der Bevölkerung. Die Idee, in die Mitte des Brunnens einen „Indianer“ zu stellen, war eine Anspielung auf die volkstümliche Bezeichnung des Stadtviertels als „Indianerviertel“ und der Bewohner*innen als „Südstadtindianer“. Der Spitzname hatte sich nach dem Besuch von „Buffalo Bill’s Wild West“ vom 23.-26. April 1891 eingebürgert, weil die Schautruppe südlich des Ettlinger Tors ihre Vorstellungen gegeben hatte. Vor allem bei den jüngeren Besuchern löste dies eine solche „Cowboy und Indianer“ Euphorie aus, dass sich diese Bezeichnung einbürgerte. Die Gleichsetzung der Bürger*innen mit den Ureinwohnern Amerikas durch einen Brunnen empfand ein großer Teil der Bevölkerung allerdings als „Verhöhnung und Herabwürdigung“. Bei einer Befragung durch die Bürgergesselschaft Südstadt äußerten sich ca. 3000 Personen gegen die „Indianerstatue“ auf dem Brunnen. Zunächst wurde der Brunnen also ohne diese gebaut, weswegen wiederum andere bei der Einweihung des unfertigen Brunnens 1925 stark enttäuscht waren – der Brunnen hatte schon die Bezeichnung „Indianerbrunnen“ bekommen, auch ohne betreffende Statue. 1927 wurde der Brunnen letztendlich fertig gestellt. Er zeigt zwei überlebensgroße „Indianerköpfe“. Für das nach Süden blickende Gesicht hatte ein Sioux aus dem damals in Karlsruhe gastierenden Zirkus Krone Modell gestanden. Das nach Norden blickende Pendant mit Schnurrbart zeigt Friedrich Beichel, den Architekten der Anlage (Förster et al. 2011:37-42).

Die Wißmannstraße liegt im Stadtteil Daxlanden und zweigt nahe des Reinhafens von der Rheinhafenstraße in Richtung Alb ab. 
Benannt wurde sie nach Hermann von Wissmann. Hermann von Wissmann (1853-1905) wurde während der Kolonialzeit und danach als „Deutschlands größter Afrikaner“ verehrt. Von ihm stammt der Ausspruch „Finde ich keinen Weg, so bahne ich mir einen“. Nach diesem Motto handelte er auch: bei seiner Durchquerung Afrikas von Luanda nach Sansibar und später bei der Wegbereitung zur Aneignung des Kongos durch Belgien bekämpfte er afrikanische Völker, die sich gegen die Enteignung und Zwangsarbeit zur Wehr setzten. Zudem zog er mordend, plündernd und brandschatzend durch die Dörfer. 1889 wurde er Reichskommissar, später für eineinhalb Jahre Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, wo er den „Araberaufstand“ blutig niederschlagen ließ (Bechhaus-Gerst 2007:11). 

2010 stellten Bündinis 90/Die Grünen aus Karlsruhe einen Antrag auf Umbenennung der Wißmannstraße, der abgelehnt wurde. 

Die Lüderitzstraße liegt im Stadtteil Daxlanden und zweigt nahe des Reinhafens von der Rheinhafenstraße in Richtung Alb ab.

Benannt wurde sie nach Adolf Lüderitz, der mit Einheimischen in Südwestafrika Verträge schloss, denen er nicht wie üblich die englische, sondern die fünffachen deutschen Meilen zugrunde legte. Dieser Landerwerb markiert den Beginn der deutschen Herrschaft in Deutsch-Südwestafrika (Jasmin Rietdorf: Koloniale Vergangenheit Straßennamen sind in beiden Städten nicht nur Wegweiser Tagesspiegel, 22. Februar 2008).

2010 stellten Bündinis 90/Die Grünen aus Karlsruhe einen Antrag auf Umbenennung der Lüderitzstraße, der abgelehnt wurde. .

Die Treischkestraße, benannt nach Heinrich von Treischke, liegt nahe des Hauptbahnhofes.

Heinrich von Treischke, der heute hauptsächlich für seinen Satz „Die Juden sind unser Unglück“ bekannt ist, war auch ein Kolonialbefürworter.
Er sah eine Bedrohung in der englischen Kolonialmacht und der Ausbreitung des Englischen zur weltweiten lingua franca. So schrieb er: „Es hängt doch die ganze Stellung Deutschlands davon ab, wie viele Millionen Menschen in Zukunft deutsch sprechen werden.“ Für ihn konnte nur eine Kolonisation, bei der das eigene Volkstum erhalten blieb, die deutsche Stellung in der Welt sichern: „Es ist sehr gut denkbar, daß einmal ein Land, das keine Kolonien hat, gar nicht mehr zu den europäischen Großmächten zählen wird, so mächtig es sonst sein mag“ (zitiert nach Kruck 1954:31).

Der Adenauerring führt weitläufig östlich und nördlich der Stadt durch den Hardtwald. Benannt wurde er nach Konrad Adenauer, dem ersten Kanzler der Bundesrepublik. 
Konrad Adenauer war während seiner Zeit als Kölner Oberbürgermeister auch stellvertretender Präsident der „Deutschen Kolonialgesellschaft“, der wichtigsten kolonial-lobbyistischen Interessensvertretung der deutschen Kolonien. Mit seinem Geld unterstützte er zudem immer wieder kleinere kolonial-propagandistische Projekte (Bendikat 1984:15).
Bei einer Umfrage aus dem Jahr 1927, ob das Deutsche Reich wieder Kolonien anstreben sollte, antwortete er:

„Das Deutsche Reich muß unbedingt den Erwerb von Kolonien anstreben. Im Reiche selbst ist zu wenig Raum für die große Bevölkerung. Gerade die etwas wagemutigen, stark vorwärtsstrebende Elemente, die sich im Lande selbst nicht betätigen können, aber in den Kolonien ein Feld für ihre Tätigkeit finden, gehen uns dauernd verloren. Wir müssen für unser Volk mehr Raum haben und darum Kolonien“ (zitiert nach Gründer 1999:327).

Als Oberbürgermeister förderte er auch, dass die „Deutsche Kolonialausstellung“ in Köln vom 01.06.-02.09.1934 stattfand – also lange, nachdem Deutschland „seine“ Kolonien „verloren“ hatte. Die Kolonialausstellung sollte dazu beitragen, den „kolonialen Gedanken in die Herzen und Köpfe einzupflanzen, damit das deutsche Volk die ungeheure Bedeutung überseeischen Besitzes für Deutschland erkennt.“ – so Gouverneur a.D. Dr. Schnee in seinem Geleitwort (Bendikat 1984:15).

Heute ist Rehbock vor allem als Begründer des Flussbaulaboratoriums an der Hochschule in Karlsruhe bekannt. Am KIT gibt es immer noch ein Theodor-Rehbock-Wasserbaulaboratorium im Gebäude 10.84 des Campus‘ sowie einen Theodor-Rehbock-Hörsaal (HS59 im Gebäude 10.81). Zudem findet sich eine Theodor-Rehbock Straße in der Innenstadt, nicht allzu weit vom Schloss entfernt. 

Orte der Auseinandersetzung

Wo gab und gibt es in Karlsruhe schon eine Auseinandersetzung mit der Karlsruher Kolonialgeschichte?
Wo findet der Diskurs statt?
Wo wird auf ein postkoloniales Karlsruhe hingewirkt?

Unter dem Aspekt „Auseinandersetzung“ soll auf die Positivbeispiele eingegangen werden – an die Kolonialgeschichte wird nicht nur erinnert, sie wird auch hinterfragt.

2010 stelle die Partei Bündnis 90 / Die Grünen einen Antrag auf Umbenennung der Lüderitzstraße, Wißmannstraße und Treischkestraße.

Darüber berichtete die BNN im Jahr 2010 .

Letztendlich kam es nicht zur Umbenennung, sondern die Straßennamen wurden um kritische Tafeln ergänzt.

war letztendlich, dass man historische Personen und Dokumente nicht mit heutigen Maßstäben messen könne und dass es schwierig sei zu entscheiden, wann eine Person nicht mehr ehrungswürdig sei. Letztendlich sollen die kritischen Tafeln die umstrittenen Straßennamen und ihren historischen Kontext erklären.
Im Zuge dessen hat auch das Stadtarchiv Karlsruhe einen Leitfaden zur Erinnerungskultur in Karlsruhe herausgegeben. 

Aus kritischer Perspektive scheint die Argumentation sehr schwach: zum einen sind Straßennamen eindeutige Zeichen der Ehrung – betreffende Personen wurden durch die Straßennamensgebung gerade für die heute als kritisch erachteten Punkte geehrt. So wurde die Wissmannstraße deshalb nach Wissmann benannt, um ihn für seinen Einsatz im deutschen Kolonialreich zu ehren und auch Carl Peters wurde mit dem Straßennamen für sein koloniales Vorgehen geehrt. Wenn sich die Stadtverwaltung also heute, wie im Artikel erwähnt, fragt, ab wann eine Person ehrungsunwürdig sei, sollte sie sich zunächst fragen, wofür diese Person sonst geehrt werden könnte. Auch die Aussage, man könne nicht die gleichen Maßstäbe gelten lassen, ist extrem schwach: auch zu Kolonialzeiten gab es durchaus sehr kritische Auseinandersetzungen mit dem Kolonialismus. Dass Wissmann und Peters sich für die Kolonisation einsetzten, war also keine determinierte Naturgegebenheit. Zum anderen wird vorgebracht, dass man durch die kritischen Tafeln unter den Namen eine Einordnung zulassen würde. Eine kritische Aufarbeitung der Geschichte sollte allerdings durch Bildungseinrichtungen wie beispielsweise Museen, Archive oder Universitäten erfolgen, wo eine echte Auseinandersetzung und Einordnung stattfinden kann. Dass Straßennamen neuerdings zur Volksaufklärung dienen, ist ein Argument, das wohl nur auf bestimmte Straßen zutrifft. Auch wenn, wie im "Leitfaden zur Erinnerungskultur in Karlsruhe", geschrieben wird, dass „es […] durchaus der Fall sein [kann], dass allein schon aufgrund des Umfangs des gruppenbezogenen menschenfeindlichen Handelns einer Person nur die Option der Umbenennung der Straße bleibt“ (S.10), stellt sich die Frage, was beispielsweise Heinrich von Treischke noch hätte tun müssen, damit dieser Fall auf ihn zutrifft (immerhin prägte er den Ausdruck „die Juden sind unser Unglück“). Letztendlich scheint es, als würde im Artikel das eigentlich ausschlaggebende Argument zum Schluss genannt: Anwohner*innen waren gegen eine Umbenennung, da diese für sie mit Kosten und Aufwand verbunden war.

In der Ausstellung und den Veranstaltungen unter dem Titel memoires perdues, die anlässlich der 22. Europäischen Kulturtage vom 7.-25. Mai 2014 im Prinz-Max-Palais stattfanden, ging es um solche stadtgeschichtlichen Ereignisse, die inzwischen längst vergessen scheinen. Dabei beschäftigten sich auch Studierende der staatlichen Hochschule für Gestaltung unter dem Titel colonial omissions mit dem Thema Kolonialismus, unter anderem in Karlsruhe. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Deutsch-Koloniale-Jagdausstellung gelegt.

In einem Artikel von Wolfgang Voigt in den BNN vom 15.11.2018 (S.15) wurde angekündigt, dass das Badische Landesmuseum prüfen lassen wolle, woher seine Kunstwerke stammen. Dabei „nehme man nicht nur die deutsche Kolonialzeit [,] sondern auch die anderer europäischer Länder in den Fokus.“ Konkret geht es beispielsweise um Objekte aus Syrien oder Zypern. Anlass zur Auseinandersetzung war die Rückgabe der Bibel und der Peitsche Hendrik Witboois nach Namibia durch das Stuttgarter Linden-Museum

Zur Person der Verfasserin

Nora Häuser 

 

Warum ich mich entschieden habe, meine Masterarbeit zum Thema (Post-) Kolonialismus in Karlsruhe zu schreiben:

Gerade in einer Zeit, in der Rassismus und Ausgrenzung von bestimmten Parteien und Gruppierungen in Deutschland wieder „wählbar“ geworden sind, finde ich es wichtig, die Hintergründe vieler stereotyper Darstellungen von Menschen, die als „anders“ wahrgenommen werden, zu beleuchten. Denn sie sind nicht in einem luftleeren Raum entstanden, sondern sind die Konsequenz einer langen Überlieferung, die ihren Anfang im europäischen Kolonialismus genommen hat. Dabei ist es mir ein Anliegen zu zeigen, dass Kolonialismus nicht „weit weg“, sondern auch hier vor Ort stattgefunden hat. Als gebürtige Karlsruherin war diese Auseinandersetzung für mich besonders spannend. Die stereotypen Bilder, die im Kolonialismus immer wieder produziert wurden, prägen noch heute unsere Sichtweise auf den Globalen Süden und die Menschen, die diesem zugeordnet werden. Um aber allen in Deutschland lebenden Personen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, ist es wichtig, diese historischen Kontinuitäten aufzuzeigen. Diskriminierende Strukturen entstehen unter anderem dadurch, dass es immer noch ein Machtungleichgewicht gibt zwischen Menschen, die vermeintlich aus dem Globalen Norden stammen und Menschen, die vermeintlich aus dem Globalen Süden kommen.
Um mich gegen Diskriminierung einzusetzen, habe ich im Herbst/Winter 2017 ein Praktikum im Büro gegen Diskriminierung, Norrköping, Schweden, absolviert und engagiere mich beim Netzwerk für Demokratie und Courage in Baden-Württemberg. Diese Masterarbeit verstehe ich als einen weiteren Teil dieses Engagements.  

 

10/2016 – 02/2019
Karlsruhe
Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Master of Arts (M.A.) Interkulturelle Bildung, Migration und Mehrsprachigkeit
10/2012 – 03/2016
Würzburg
Julius-Maximilians Universität Würzburg
Bachelor of Arts (B.A.) Political and Social Studies (Hauptfach) und Indologie (Hauptfach) 

 

 

Führung: "Was hat denn Karlsruhe mit dem Kolonialismus zu tun?!"

Frau Häuser bietet Führungen über das Thema (Post-)Kolonialismus an. 

Anmeldungen und Informationen unter:  nora@die-haeusers.de

 

Literaturverzeichnis

Weitere Abschlussarbeiten über das Thema (Post-)Kolonialismus

Eine Dokumentenanalyse der Karlsruher Zeitung 1905-1906

Letzte Änderung: 29.03.2021
Für den Inhalt verantwortlich: brigitte.uebel@ph-karlsruhe.de